Salzburger Nachrichten

Es geht um die Menschenwü­rde einer Generation

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Ein betagter Mann wird von Verwandten in einem städtische­n Seniorenhe­im abgesetzt. Ein Koffer und ein Müllsack mit Kleidern liegen neben ihm, als ihn die Mitarbeite­r finden. Er kann sich weder ausweisen noch wirklich sprechen. Erst 24 Stunden später findet man eine Telefonnum­mer – und bringt langsam Licht ins Dunkel.

Der Fall wühlt auf, macht fassungslo­s. Und wirft viele Fragen auf. Was die Verwandten trieb, ist noch unklar. Ist es wirklich Ignoranz oder doch Verzweiflu­ng, weil man sich bei der Pflege des Mannes nicht mehr hinaussah – und keine Hilfe fand?

Jedenfalls wirft der Fall, auch wenn er ein Extrem darstellt, ein grelles Licht auf die Zustände in der Pflege. Es herrscht allerorts Überforder­ung – mit wachsend kritischen Auswirkung­en. Ältere Angehörige, die ins Heim abgeschobe­n werden. Pflegende, die ihre Aufgabe nicht mehr schaffen. Und eine Politik, die den Problemen nicht mehr Herr wird. Auch weil sie entscheide­nde Fehler macht. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion schaffte das Parlament in Wien den Regress (für Angehörige) in den Heimen ab und brachte damit das System in Schieflage. Die Abstimmung der Systeme – Altenheim, mobile Dienste, Pflege zu Hause – funktionie­rt nicht mehr. Dazu kommt akuter Mangel an Pflegekräf­ten. Und die chronische­n Finanznöte der öffentlich­en Hände tun ihr Übriges dazu, dass in der Pflege Notstand nur mehr verwaltet und nicht ausgemerzt wird.

In aller Klarheit: Weiteres politische­s Zuwarten in Bund und Land wäre fahrlässig. Den alten Menschen ein geborgenes und sicheres Altern zu ermögliche­n ist ein Gebot der Stunde. Alles andere ist menschenun­würdig.

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Hermann Fröschl

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