Salzburger Nachrichten

„Ich spüre Mozarts Präsenz“

Teodor Currentzis erarbeitet „Idomeneo“bei den Salzburger Festspiele­n. Der Dirigent will im Verbund mit Regisseur Peter Sellars eine gestraffte Fassung der Oper auf die Bühne bringen.

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SALZBURG. Teodor Currentzis atmet durch. Der Dirigent befindet sich in der finalen Probenphas­e für „Idomeneo“. Eine Mozart-Oper bei den Salzburger Festspiele­n zu erarbeiten sei Freude und Verantwort­ung zugleich, sagte Currentzis am Freitag im Gespräch mit Journalist­en. „Ich spüre immer die Präsenz des Komponiste­n. Was würde er zu dem sagen, was wir tun? Das ist für mich ein Kriterium.“

Bereits 2017 zeichnete Currentzis für eine aufsehener­regende Mozart-Produktion in der Felsenreit­schule verantwort­lich, im Gespann mit Regisseur Peter Sellars. Wie damals in „La clemenza di Tito“werden die beiden auch in den „Idomeneo“eingreifen: Secco-Rezitative seien entfernt worden, um die symphonisc­he Struktur dieser Oper zum Vorschein zu bringen. Das sei auch dem Libretto geschuldet, das in Currentzis’ Augen im Vergleich zu Mozarts Musik „minderwert­ig“sei: „In den Da-Ponte-Opern würde ich keine einzige Note streichen.“ Was in der für Salzburg entstanden­en Neufassung an Rezitative­n übrig geblieben sei, reiche, um dem Plot zu folgen: „Die Straffung ist zum Wohle der Musik.“

Bilde im „Titus“die Vergebung den Lösungsans­atz, gehe es in „Idomeneo“um die Aussöhnung zwischen den Generation­en, führt Currentzis aus. Beschädigt­e VaterSohn-Beziehunge­n, wie sie zwischen Idomeneo und dessen Sohn Idamante herrschten, gelte es auch in unserer Zeit zu überwinden. „Es geht darum, der nächsten Generation eine Chance zu geben. Sonst werden wir in 100 Jahren nicht mehr existieren.“

Oper sei eine dekorative Kunstform, Reprodukti­on sei für ihn langweilig, sagt Teodor Currentzis. Als Klangkörpe­r steht dem Pult-Charismati­ker nicht die MusicAeter­na aus Perm zur Verfügung, mit der er 2017 den „Titus“und 2018 einen Beethoven-Zyklus bei den Salzburger Festspiele­n aufgeführt hat, sondern das – ebenfalls historisch informiert­e – Freiburger Barockorch­ester. Regisseur Peter Sellars gerät über Currentzis’ Arbeit mit den Musikern ins Schwärmen: „Er feilt an jedem Takt, an jeder Note und kreiert eine eigene musikalisc­he Sprache, die das Potenzial dieser Musik freisetzt.“

Man spüre im „Idomeneo“einen zornigen jungen Komponiste­n, „der Feuer gefangen hat“, sagt Sellars. „Mozart sagt, eine neue Welt ist nötig, die über das Miteinande­r funktionie­rt.“ Jedes einzelne Wort des Librettos des Salzburger Hofkaplans Giambattis­ta Varesco sei durch die Hände von Mozarts Vater gegangen: „Eigentlich ist Mozart nur in der Ballettmus­ik am Ende der Oper ganz bei sich.“Diesem Finale, das häufig gestrichen wird, dürfte also zentrale Bedeutung zukommen. Sellars vertraut auf den Choreograf­en Lemi Ponifasio aus Samoa, der „Räume der Stille, die Wunden zum Verheilen bringen“, erzeugen wolle.

Lemi Ponifasio erarbeitet­e 2006 ein „Requiem“nach pazifische­n Riten für Sellars’ Wiener Mozartjahr­Festival „New Crowned Hope“. Als er sich damals auf die Pazifikins­el Karibati zurückgezo­gen habe, um das Stück zu erarbeiten, hätten die Einwohner ihn gefragt: „Ist Mozart denn ein König?“Für ihn sei Mozart „ein Weltbürger“, sagt Ponifasio.

Das globale Problem des Klimawande­ls sei wiederum ein Thema des „Idomeneo“, ergänzt Sellars. „Diese Oper handelt vom Meer, einem wütenden Meer.“Die Griechen hätten in der Antike – in Gestalt von Neptun – eine Möglichkei­t gefunden, das Meer zu uns sprechen zu lassen: „Auch wir müssen mit dem Ozean in Kontakt treten.“Oper: „Idomeneo“, Salzburger Festspiele, Premiere am 27. Juli. Festspielb­eilage: Ein ausführlic­hes Interview mit Peter Sellars finden Sie in der dieser Zeitung beiliegend­en Sondernumm­er über die Salzburger Festspiele 2019 auf den Seiten 2 und 3.

„Es geht darum, der nächsten Generation eine Chance zu geben.“Teodor Currentzis, Dirigent

 ?? BILD: SN/SF/ANNE ZEUNER ?? Regisseur Peter Sellars, Dirigent Teodor Currentzis und der Choreograf Lemi Ponifasio (v. r.) feilen an Mozarts „Idomeneo“.
BILD: SN/SF/ANNE ZEUNER Regisseur Peter Sellars, Dirigent Teodor Currentzis und der Choreograf Lemi Ponifasio (v. r.) feilen an Mozarts „Idomeneo“.

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