Salzburger Nachrichten

Der Ritter, der die Welt besser machen wollte

Die Bregenzer Festspiele entdecken eine traumhafte Opernschön­heit voll Melancholi­e und Abschied: „Don Quichotte“von Jules Massenet.

- KARL HARB „Don Quichotte“, Bregenzer Festspiele, noch 21. und 29. 7.

BREGENZ. Mit der kontinuier­lichen Entdeckung von Opernrarit­äten sichern sich die Bregenzer Festspiele parallel zum Seebühnens­pektakel eine besondere Note. Der Aufwand für nur drei Aufführung­en ist dabei beträchtli­ch. Heuer scheint es fast so, als hätte das Megaformat des „Rigoletto“auch auf die sogenannte Hausoper übergegrif­fen. Für die fünfaktige Comédie héroïque „Don Quichotte“von Jules Massenet, eine eigenartig­e Mischung aus Traummusik und Abschiedsm­elancholie, 1910 als letztes Werk des damals 68-jährigen Komponiste­n in Monte Carlo uraufgefüh­rt, hat Julia Hansen fünf eigenständ­ige, für sich stehende Bühnenbild­er gebaut, die eine sonderbare Zeitreise sind.

Sie reagieren damit durchaus kongruent auf den Stilmix der Musik, die sich spanischer Folklore ebenso bedient wie großer Gefühle in Romanzen, Balladen, Monologen, Duetten, die wuchtige Chormusik ebenso bietet wie knappe, wie fragmentar­isch wirkende Szenenskiz­zen. Der gravierend­e Nachteil: Die komplizier­ten Umbauten schaffen überlange Pausen, reißen Löcher in die ohnedies kurzen Episoden, kappen damit schnell aufgebaute Spannungsb­ögen beträchtli­ch. Man steht wie vor einem nicht durchwirkt­en Patchwork.

Dies wirkt auch deshalb nachteilig, weil Daniel Cohen als Dirigent einen oft weit ausschwing­enden, elegisch leisen Ton vorgibt (den die Wiener Symphonike­r mit superber Klangkultu­r und solistisch feiner Transparen­z adeln). Auch wenn er durch laute, plakativ illustrier­ende Elemente, vor allem wenn Lokalkolor­it auftaucht, durchbroch­en wird, bleibt doch eine getragene Grundstimm­ung voll subtiler Momente vorherrsch­end.

Regisseuri­n Mariame Clément will in ihrer szenischen Umdeutung das Männlichke­itsideal des Helden kritisch befragen. Als tagesaktue­llen Vorspann gibt es deshalb den Werbespot eines Hersteller­s von Rasierklin­gen, der vornehmlic­h in rechten Kreisen einen Shitstorm auslöste, weil er das Männerbild verweich-, wenn nicht gar verweiblic­ht. Darauf folgt die Suada eines wütenden Mannes aus dem Publikum: leider so plump, dass es nicht nur den Beginn lähmt, sondern auch die Aufführung komplizier­ter macht, als es das Stück ist. Der Episodench­arakter der fünf Akte würde einen leicht(er)en Erzählflus­s vertragen.

So folgen nach dem historisch pittoresk bebilderte­n Ständchen für Dulcinée (als Theater auf dem Theater) zunächst Abort und Dusche, wo Don Quichotte gegen die Windmühlen-Riesen in Form eines Ventilator­s kämpft, dann wird der gestohlene Schmuck für Dulcinée einer Straßengan­g abgeluchst, welche den Ritter in ihrer Unterwelt wie einen Heiligen empfängt. Schließlic­h landen Sancho Pansa und sein Herr, der endlich die Liebe seiner Angebetete­n erringen will, in einem modernen Großraumbü­ro, ehe wieder alles zum Theater wird, um rührend von Don Quichotte Abschied zu nehmen.

Der tiefere Sinn dieser Wechselbäd­er mag sich nicht erschließe­n. Entschädig­t wird man dafür durch den balsamisch­en Wohllaut, mit dem Gábor Bretz die vokalen Linien des Titelhelde­n zieht – den Massenet für Fjodor Schaljapin geschriebe­n hatte: mit einer Spannkraft ohne jede Überspannt­heit. Wunderbar abschattie­rt ist auch David Stouts bewegliche­r Sancho Pansa. Und je länger, je mehr gefällt auch die anfangs noch verschloss­en wirkende Anna Goryachova als dunkel erblühende Dulcinée.

Gerührt vom Ritter, der Träume und Ideale zu seiner Wirklichke­it macht, dankte das Premierenp­ublikum begeistert. Oper:

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Klobürste gegen „Windmühlen“.

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