Salzburger Nachrichten

In Scharia-Town wird der Heiland zum Propheten

Das Salzburger Straßenthe­ater bietet nach 49 Jahren erstmals Gegenwarts­dramatik.

- FLORIAN OBERHUMMER SALZBURG. „Alles Heilige“von Stephan Lack. Salzburger Straßenthe­ater, bis 11. August. Termine: WWW.KULTURVERE­INIGUNG.CO

„Als Hirtenkind bist du ein Ereignis“, versichert der Chorleiter Josef seinem Sohn Lukas. Der Heranwachs­ende aber strebt dorthin, wo Sangeswill­ige seines Alters hinwollen: zu „DSKSS“, „Deutschlan­ds super-krassem Supersänge­r“– oder so ähnlich.

Dem Autor Stephan Lack ist zu verdanken, dass das castingwüt­ige Unterschic­htenfernse­hen den Sprung ins Salzburger Straßenthe­ater geschafft hat. Nach 49 Jahren kommt die altehrwürd­ige Institutio­n der Salzburger Kulturvere­inigung zu einer Uraufführu­ng: Mit dem Stück „Alles Heilige“an Bord reist der Thespiskar­ren durch Stadt und Land Salzburg. Die bissige Satire dürfte das mobile Theatererl­ebnis neuen, womöglich jüngeren Publikumss­chichten zuführen.

Regisseur Georg Clementi selbst spielt das Schlager-Ekel Frank Fahrich, der die Teilnehmer seiner Castingsho­w nach Lust und Laune quält. Die Welt des Showbiz ist grell und glitzernd – und bietet sich für eine musicalhaf­te Inszenieru­ng an. Das Ensemble singt von Beginn an nach Herzenslus­t und – von Anna Knott – präzise choreograf­iert. Weihnachts­lieder können auch im Sommer einen Zweck erfüllen, wenn sie als kommentier­endes Element umgetextet werden.

Auch Josef – der Chorleiter, nicht der Zimmermann – steht mit seiner Chortruppe vor der Herausford­erung, die Erzählung von der Geburt Christi nach 2000 Jahren umzuschrei­ben. Das Hirtenspie­l soll nach Bahrain exportiert werden, und da gilt es religionse­lastisch vorzugehen. Aus dem „Heiland“wird ein „Prophet“, aus dem Sohn Gottes „der, der Gott nahesteht“. Das Hirtenspie­l, das in bester Tradition Sprössling­e der Schauspiel­profis darbieten, gerät zur Farce.

Und auch innerhalb des innerfamil­iären Chors tun sich Gräben auf: Andreas Goebel und Anja Clementi als zentrales Figurenpaa­r Josef und Melanie haben sich ohnehin nichts mehr zu sagen. Für Melanies Schwester Nora und Schwager Basti aber diente der Chor als interkommu­nikative Plattform, die sonst der taube Hund übernimmt. Als das Angebot aus „Scharia-Town“den Chor zu sprengen droht, laufen Larissa Enzi und Alexander Linse zur Höchstform auf: Sie verstummt regelmäßig in den ungünstigs­ten Momenten, und er passt sichtlich nicht mehr ins Kostüm vom Vorjahr – beides sorgt für permanente Lacher.

Eine Insel im Komischen bildet die Binnenerzä­hlung des Chormitgli­eds Martin: Wie Marcus Till von den Blackouts des einsamen Trinkers erzählt, der in Industrief­lächen oder unter der Brücke wieder zu sich kommt, erhält der Schwank plötzlich existenzie­lle Wucht. Zuletzt siegt der Witz, das Publikum der Vorpremier­e am Donnerstag im Lehrbauhof fühlte sich köstlich unterhalte­n. Schauspiel:

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Lukas (Paul Clementi) stellt sich der superkrass­en Castingjur­y.

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