In Scharia-Town wird der Heiland zum Propheten
Das Salzburger Straßentheater bietet nach 49 Jahren erstmals Gegenwartsdramatik.
„Als Hirtenkind bist du ein Ereignis“, versichert der Chorleiter Josef seinem Sohn Lukas. Der Heranwachsende aber strebt dorthin, wo Sangeswillige seines Alters hinwollen: zu „DSKSS“, „Deutschlands super-krassem Supersänger“– oder so ähnlich.
Dem Autor Stephan Lack ist zu verdanken, dass das castingwütige Unterschichtenfernsehen den Sprung ins Salzburger Straßentheater geschafft hat. Nach 49 Jahren kommt die altehrwürdige Institution der Salzburger Kulturvereinigung zu einer Uraufführung: Mit dem Stück „Alles Heilige“an Bord reist der Thespiskarren durch Stadt und Land Salzburg. Die bissige Satire dürfte das mobile Theatererlebnis neuen, womöglich jüngeren Publikumsschichten zuführen.
Regisseur Georg Clementi selbst spielt das Schlager-Ekel Frank Fahrich, der die Teilnehmer seiner Castingshow nach Lust und Laune quält. Die Welt des Showbiz ist grell und glitzernd – und bietet sich für eine musicalhafte Inszenierung an. Das Ensemble singt von Beginn an nach Herzenslust und – von Anna Knott – präzise choreografiert. Weihnachtslieder können auch im Sommer einen Zweck erfüllen, wenn sie als kommentierendes Element umgetextet werden.
Auch Josef – der Chorleiter, nicht der Zimmermann – steht mit seiner Chortruppe vor der Herausforderung, die Erzählung von der Geburt Christi nach 2000 Jahren umzuschreiben. Das Hirtenspiel soll nach Bahrain exportiert werden, und da gilt es religionselastisch vorzugehen. Aus dem „Heiland“wird ein „Prophet“, aus dem Sohn Gottes „der, der Gott nahesteht“. Das Hirtenspiel, das in bester Tradition Sprösslinge der Schauspielprofis darbieten, gerät zur Farce.
Und auch innerhalb des innerfamiliären Chors tun sich Gräben auf: Andreas Goebel und Anja Clementi als zentrales Figurenpaar Josef und Melanie haben sich ohnehin nichts mehr zu sagen. Für Melanies Schwester Nora und Schwager Basti aber diente der Chor als interkommunikative Plattform, die sonst der taube Hund übernimmt. Als das Angebot aus „Scharia-Town“den Chor zu sprengen droht, laufen Larissa Enzi und Alexander Linse zur Höchstform auf: Sie verstummt regelmäßig in den ungünstigsten Momenten, und er passt sichtlich nicht mehr ins Kostüm vom Vorjahr – beides sorgt für permanente Lacher.
Eine Insel im Komischen bildet die Binnenerzählung des Chormitglieds Martin: Wie Marcus Till von den Blackouts des einsamen Trinkers erzählt, der in Industrieflächen oder unter der Brücke wieder zu sich kommt, erhält der Schwank plötzlich existenzielle Wucht. Zuletzt siegt der Witz, das Publikum der Vorpremiere am Donnerstag im Lehrbauhof fühlte sich köstlich unterhalten. Schauspiel: