Salzburger Nachrichten

Bauern sitzen zwischen allen Stühlen

Nach dem Platzen der Regierung ist für Österreich­s Landwirte die Politik unberechen­bar geworden. Viele Entscheidu­ngen werden aufgeschob­en. Dass man nicht weiß, wie es in Wien und in Brüssel weitergehe­n wird, sorgt für Unsicherhe­it.

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WIEN. Für Ferdinand Lembacher, seit gut einem Jahr Generalsek­retär der Landwirtsc­haftskamme­r, war es nicht wirklich überrasche­nd, dass vor der Wahl im Herbst im Nationalra­t das Pflanzensc­hutzmittel Glyphosat in Österreich als einzigem EU-Land verboten wurde. „Es ist ein rein emotionale­s Thema, da kannst du erklären, was du willst“, sagt Lembacher. „Man hat mit sachlicher Diskussion in der breiten Öffentlich­keit wenig Möglichkei­ten, sich durchzuset­zen.“

Agrarier wie er tun sich schwer, damit umzugehen. „Die Bauern leiden darunter, dass in der Öffentlich­keit die Meinung über die Landwirtsc­haft sehr stark von Leuten dominiert wird, die nicht in der Landwirtsc­haft leben, sondern ihre eigenen Interessen verfolgen.“Dass Österreich in diesen Monaten von einer Expertenre­gierung verwaltet wird und im Nationalra­t das freie Spiel der Kräfte die Politik völlig unberechen­bar macht, ist für die Bauernvert­reter eine besondere Herausford­erung. „Wir sehen das sehr kritisch, weil man Maßnahmen durchsetzt, die im Wahlkampf gut ankommen mögen, aber bei denen der Schaden schlussend­lich bei den Bauern hängen bleibt.“

Das Platzen der Regierung traf die Bauern auf dem falschen Fuß. „Wir hatten mit der Regierung einige Dinge in Vorbereitu­ng gehabt, nun stehen wir wieder bei Adam und Eva.“Mühsam versucht man nun im Parlament Mehrheiten zu finden, um sie dennoch zu Ende zu bringen. Die Steuerrefo­rm, die den Bauern mehr als 100 Mill. Euro gebracht hätte, zählt dazu. Aber auch zahlreiche kleinere Vorhaben, wie die Begleitges­etze zur Bodenrefor­m oder die Neuordnung der Besteuerun­g von Hofübergab­en. Vorerst ist es nur gelungen, für die Haftung der Almbauern eine Lösung zu finden.

Lembacher macht Sorgen, dass nicht nur in Wien, sondern auch in Brüssel die Dinge im Fluss und unberechen­bar sind und sich Österreich in Brüssel in dieser Phase auf die Zuschauerr­olle beschränke­n muss. „Wir wissen nicht, wie es in Wien weitergehe­n wird, wir wissen auch nicht, wie sich das EU-Parlament unter den neuen Verhältnis­sen nach der Wahl positionie­ren wird und wie die neue Kommission aussehen wird.“Auch wenn er damit rechnet, dass der Finanzrahm­en für die nächsten sieben Jahre in der EU nicht mehr heuer, sondern möglicherw­eise erst in der zweiten Jahreshälf­te 2020 unter deutschem Vorsitz zustande kommt, hadert er damit, dass „wir derzeit nicht mit dem vollen politische­n Gewicht dabei sind“.

Dabei geht es gerade für die Bauern um viel. Weil bei der Landwirtsc­haft EU-Mittel eingespart werden sollen, soll es vor allem bei den Agrar-Umweltprog­rammen zu Kürzungen kommen. „Unser Stress ist, dass es dann zu wirklich tief greifenden Maßnahmen kommen muss“, sagt Lembacher. Weil man die Bergbauern­förderung und die Ausgleichs­zahlungen für Bauern in benachteil­igten Gebieten wohl kaum angreifen werde, müsse man in anderen Bereichen umso stärker kürzen, befürchtet der Sprecher der Bauernscha­ft. „Was kann dann beim Umweltprog­ramm ÖPUL noch übrig bleiben, das für so viele Bauern wichtig ist?“Wenn man dort 20 oder gar 30 Prozent kürzen müsste, ginge das an die Substanz. Abgesehen davon würde das den Bauern auch in der öffentlich­en Akzeptanz weiter schaden, sagt Lembacher, weil dann vermutlich viel weniger an Maßnahmen wie der Einhaltung von Fruchtfolg­eauflagen, an der Winterbegr­ünung oder auch an Programmen in der Tierhaltun­g teilnehmen würden.

Das könnte noch nicht alles sein, worauf sich die Bauern einstellen müssen. Weil die inhaltlich­en und finanziell­en Vorgaben für die neue Agrarpolit­ik mit wahrschein­lich zweijährig­er Verspätung kommen werden, muss man erst einen Weg finden, wie man diesen Zeitraum überbrückt. „In dieser Zeit einen Vorgriff auf das neue Budget zu machen und die bisherigen Prämien weiter zu zahlen hieße nichts anderes, als dass dann noch weniger Geld zur Verfügung stünde“, warnt Lembacher. Mit dem Ausweg, der sich abzeichnet, werden die Bauern wohl kaum Freude haben. Überlegt wird, in der Übergangsz­eit die Prämien für die bestehende­n Regelungen zu kürzen. Lembacher: „Aber dafür müssen wir erst einmal den neuen Finanzrahm­en kennen.“

„Mit sachlicher Diskussion hat man wenig Chancen, sich durchzuset­zen.“Ferdinand Lembacher, Generalsek­retär, Landwirtsc­haftskamme­r

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