Grün statt heiß
Kühlen durch Pflanzen. Sprühnebelduschen, neu gepflanzte Bäume, begrünte Fassaden und Dächer: Etliche Städte fangen an, gegen ihre Überhitzung anzukämpfen.
Was Klimaforscher prognostiziert haben, ist Realität: Es kommt häufiger zu Extremwetter, etwa lang anhaltender Hitze. Besonders betroffen sind die Städte: Die dichte Verbauung, viel Metall, Beton und Glas sowie fehlendes Grün sorgen für geradezu explodierende Temperaturen. Es kühlt auch nachts kaum ab. Im Juni gab es in Wien 13 Tropennächte – das heißt, dass die Temperaturen nicht unter 20 Grad Celsius sanken. „Normal“wären in einem ganzen Sommer 16 Tropennächte.
In den Parks laufen an heißen Tagen die Bewässerungsanlagen auf Hochtouren. Sprühnebelduschen sind auf Dauerbetrieb gestellt. Sofortmaßnahmen wie Kühlung von Straßen und Plätzen durch Waschautos werden ergriffen. Klimaexperte Herbert Formayer von der Universität für Bodenkultur verweist darauf, dass Wasser für Wien oder Salzburg eine Lösung sei, weil Österreich ausreichend zur Verfügung habe.
Doch auch das könnte sich ändern: Die Prognosen gehen davon aus, dass die Schneefallgrenze steigen wird, also der Winterniederschlag in unteren und mittleren Lagen in Form von Regen fallen wird. Im Sommer fehlt dann das Schmelzwasser des Schnees. Überdenken müsse man auch, so Formayer, ob für Kühlungen in den Städten nicht besser Nutzwasser verwendet werden sollte.
Wichtig zur Abkühlung ist eine ausreichende Beschattung. Effizient sind laut Formayer nicht nur Bäume, sondern auch Sonnensegel. Kühlend wirkt außerdem die Begrünung von Dächern und Fassaden. Die rot-grüne Stadtregierung in Wien hat acht Millionen Euro für Baumpflanzungen in einem Sonderbudget bereitgestellt.
So soll der Yppenplatz in Ottakring mit großen Platanen schattiger werden, die Waldgasse in Wien-Favoriten soll ihrem Namen gerecht werden. Doch es könnte zu Interessenkonflikten kommen. Werden Bäume gepflanzt, gibt es weniger Parkplätze. Werden Fassaden begrünt, müssen Brand- und Denkmalschutz mitspielen. Jürgen Preiss von der Umweltschutzabteilung des Magistrats betont, dass es mittlerweile bei allen relevanten Stellen Konsens über die Bedeutung von Begrünung gebe. „Der Aufenthalt unter einer Baumkrone bewirkt eine Senkung der gefühlten Lufttemperatur von mehr als zehn Grad Celsius“, betont er. Wien mache bei Neupflanzungen gute Fortschritte, es fehle noch ein wenig das Gesamtkonzept, meint Uni-Experte Herbert Formayer. Preiss weist darauf hin, dass es seit 2015 den „Urban Heat Islands“-Strategieplan gebe, entstanden in einem Forschungsprojekt mit acht europäischen Metropolen, darunter Bologna, Stuttgart, Prag und Budapest. Doch „die Umsetzung ist nicht von heute auf morgen möglich“. Die immer wieder auftretende Überhitzung erzeugt längst Leidensdruck bei den Stadtbewohnern. Preiss betont die Wichtigkeit eines großen Blickwinkels, der Stadterweiterung, Stadterneuerung und Sanierung umfasst. Es geht um Oberflächenbeschaffenheit, Speicherkapazität der Materialien, Auswirkung auf Durchlüftung, Ausrichtung des Gebäudes. „Mittlerweile gibt es sehr effiziente Klimasimulationsverfahren. Man kann sehen, wie sich wie Wind, Luftfeuchtigkeit und Sonneneinstrahlung auswirken, wo eine Dachbegrünung besonders effektiv ist oder welcher Standort für welche Baumart gut ist.“Auch die Förderung für Fassadenbegrünungen wurde erhöht. Doch: „Das ist nicht so trivial, wie man vielleicht meinen könnte.“Oft ist die Zustimmung mehrerer Eigentümer einzuholen, dazu gesellen sich allerlei behördliche Genehmigungen und „ein Gehsteig ist ja auch nicht in erster Linie dazu da, dass man Kletterpflanzen ansetzen kann“.
In Salzburg steckt Klimaanpassung im Vergleich zu Wien noch in den Kinderschuhen. Die SPÖ hat erst kürzlich gemeinsam mit der Bürgerliste einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der von der ÖVP und FPÖ aber abgelehnt wurde. „Es ist uns wichtig, sowohl bei den Neubauten als auch im Bestand mehr Grün in die Stadt zu bringen“, sagt SPÖGemeinderätin Johanna Schnellinger. Bisher gibt es nur Einzelmaßnahmen: In der dicht befahrenen und eng verbauten IgnazHarrer-Straße wurden an einem Gebäude Teile der Fassade begrünt. Ebenso erhält das St.-Anna-Tageszentrum eine Fassadenbegrünung. Auch Gründächer mit Regenwasserspeicherung forciert die Stadt: Auf dem Bildungscampus Gnigl, beim in Kürze fertiggestellten Neubau der Volksschule Parsch und in Kombination mit Photovoltaikanlagen im Stadtwerk. Ein begrüntes Dach sei auch bei Starkregen hilfreich, weil dadurch die Kanalisation entlastet werde, betont Schnellinger.
Von Fahrverboten für Autos, wie sie Paris aufgrund der Erfahrung früherer Hitzewellen mit zahlreichen Toten einführt, hört man in Österreich noch nichts. Doch „wenn es auch bei uns Richtung 40 Grad geht, könnte das ein Thema werden“, meint Formayer.