Tellerweise Liebe
Zwei Geburtstage: Ein Fest. Eine Salzburgerin und eine Syrerin feierten gemeinsam das Leben und die Liebe.
Himmlisch sieht es aus! Eigentlich ist es nur ein Omelett. Aber dieses ist – himmlisch. Vor uns liegt die syrische Variante. Sie heißt Gataief und man mag dieses Gericht vor lauter Respekt nicht berühren. Die Omeletts sind gefaltet und wie Rosenblätter im Kreis angeordnet. Im Inneren hat Djamala den Kopf einer echten Rose platziert. Das tut sie nicht immer, erzählt sie etwas schüchtern. Aber heute hat Djamala Geburtstag. Auch Ingrid hat Geburtstag. Jene Salzburgerin, die Djamalas siebenköpfiger Familie vor mehr als zwei Jahren mit ihrem Ehemann Wolfgang Radlegger ein Zuhause gegeben hat. Heute wird also gefeiert. Und die älteste Tochter Ezra drängt uns jetzt sanft, eine Kostprobe zu nehmen. Das macht sie mit einem Stolz und einem unwiderstehlichen Glanz in den Augen, sodass jede Widerrede selbstredend ausgeschlossen ist. Also beginnen wir das Kunstwerk vorsichtig zu zerpflücken. Gefüllt sind die Omeletts mit einem Doppelrahm-Frischkäse, einem Mascarpone also, der in Syrien natürlich anders heißt. „Aber er ist super dafür geeignet“, sagt Djamala. Sie vermischte ihn noch mit Rosenwasser und fügte zerhackte Pistazien dazu. Mahmoud nickt freundlich. Es ist auch sein Tag. Den größten Teil des Weges hat seine Familie vor fünf Jahren zu Fuß zurückgelegt. Wie viele Hundert Kilometer er mit einer und manchmal zwei Töchtern in seinen starken Armen zurückgelegt hat, das weiß er nicht mehr. Man spürt aber, dass er die Ruhe genießt, die in Salzburg für seine Familie eingekehrt ist.
Damals wurde ihm und seiner Familie unbefristetes Asyl gewährt. Seitdem sind alle am Lernen. Mahmoud ist mehr am Arbeiten als am Lernen. In Syrien war er noch Rechenlehrer. Jetzt werden ihm Hilfsarbeiten zugewiesen, die er stolz verrichtet.
Für die Gastgeber ist mit der Familie Alkhatib viel Leben in ihr Haus eingekehrt. Nicht nur die Alkhatibs, auch viele freiwillige Helfer gehen ein und aus. Und das ist gut so! Da sind etwa Elli und Matthias, ein rührendes Pensionisten-Ehepaar, die die Alkhatibs seit ihren ersten Tagen in Österreich begleiten. Sie räumten Schwierigkeiten aus ihrem Weg und helfen beim Deutschlernen. Das tut auch Elisabeth, die ein Mal in der Woche vorbeikommt. Oder Werner, der in Niederösterreich einen kleinen Bauernhof besitzt, wo die Alkhatibs ein Mal im Jahr Urlaub machen dürfen. Ganz zu schweigen von Daniela und Gerhard. Sie haben damals den Kontakt der Alkhatibs zu den Radleggers geknüpft.
Heute fühlen sich alle irgendwie angekommen. An diesem Tag, an dem zwei Geburtstage gefeiert werden, spürt man, dass alle eine Art Reisegeschwindigkeit erreicht haben. Djamala und Ingrid werden allseits in die Arme geschlossen. Auffällig ist auch die Höflichkeit der Kinder und die Zurückhaltung von Mahmoud, von dem man einen schönen Gruß lernen kann. Die Syrer passen sich zwar an und erwidern den Handschlag – aber viel schöner ist es, wenn die rechte Hand das Herz berührt und sich dann nach intensivem Blickkontakt öffnet. Viele Ältere kennen diesen herzerwärmenden Gruß auch aus „Winnetou“-Filmen.
Das von Djamala vorbereitete Buffet unterstreicht übrigens ein Klischee über die syrische Gastfreundschaft. In Restaurants geht man in Syrien nämlich nur, wenn wirklich große Anlässe anstehen. Ansonsten wird zu Hause gekocht. Wenn Sie dann dort bei einer Einladung nicht alles aufessen, dann ist der syrische Gastgeber unendlich verzweifelt und vermutet, dass er etwas falsch gemacht hat. Schlimm ist es, wenn Sie schlank sind. Denn dann heißt es: „Oje. Sie müssen mehr essen.“Noch schlimmer ist es, wenn Sie beleibt sind. Dann heißt es: „Oh! Sie haben aber einen großen Bauch. Also müssen Sie auch viel essen.“Ähnliches erleben Gäste sonst nur noch im Innviertel.
Fantastisch schmecken übrigens auch die Kibbeh. Sie sind mit faschiertem Lammfleisch, Zwiebeln und Nüssen gefüllt. Djamala hat ganze Arbeit geleistet. Und sie war auch gerührt, dass ihre Töchter Ezra, Islam, Bisan und Sidra die Mehlspeisen von Ingrid und ihren österreichischen Freundinnen genossen haben. Sie haben auch darauf geachtet, dass ihrem Bruder Ahmed etwas übrig blieb. Da haben wir gelernt:
Liebe – auch jene zwischen Völkern und Religionen – geht immer durch den Magen.