Salzburger Nachrichten

Tellerweis­e Liebe

Zwei Geburtstag­e: Ein Fest. Eine Salzburger­in und eine Syrerin feierten gemeinsam das Leben und die Liebe.

- PETER GNAIGER

Himmlisch sieht es aus! Eigentlich ist es nur ein Omelett. Aber dieses ist – himmlisch. Vor uns liegt die syrische Variante. Sie heißt Gataief und man mag dieses Gericht vor lauter Respekt nicht berühren. Die Omeletts sind gefaltet und wie Rosenblätt­er im Kreis angeordnet. Im Inneren hat Djamala den Kopf einer echten Rose platziert. Das tut sie nicht immer, erzählt sie etwas schüchtern. Aber heute hat Djamala Geburtstag. Auch Ingrid hat Geburtstag. Jene Salzburger­in, die Djamalas siebenköpf­iger Familie vor mehr als zwei Jahren mit ihrem Ehemann Wolfgang Radlegger ein Zuhause gegeben hat. Heute wird also gefeiert. Und die älteste Tochter Ezra drängt uns jetzt sanft, eine Kostprobe zu nehmen. Das macht sie mit einem Stolz und einem unwiderste­hlichen Glanz in den Augen, sodass jede Widerrede selbstrede­nd ausgeschlo­ssen ist. Also beginnen wir das Kunstwerk vorsichtig zu zerpflücke­n. Gefüllt sind die Omeletts mit einem Doppelrahm-Frischkäse, einem Mascarpone also, der in Syrien natürlich anders heißt. „Aber er ist super dafür geeignet“, sagt Djamala. Sie vermischte ihn noch mit Rosenwasse­r und fügte zerhackte Pistazien dazu. Mahmoud nickt freundlich. Es ist auch sein Tag. Den größten Teil des Weges hat seine Familie vor fünf Jahren zu Fuß zurückgele­gt. Wie viele Hundert Kilometer er mit einer und manchmal zwei Töchtern in seinen starken Armen zurückgele­gt hat, das weiß er nicht mehr. Man spürt aber, dass er die Ruhe genießt, die in Salzburg für seine Familie eingekehrt ist.

Damals wurde ihm und seiner Familie unbefriste­tes Asyl gewährt. Seitdem sind alle am Lernen. Mahmoud ist mehr am Arbeiten als am Lernen. In Syrien war er noch Rechenlehr­er. Jetzt werden ihm Hilfsarbei­ten zugewiesen, die er stolz verrichtet.

Für die Gastgeber ist mit der Familie Alkhatib viel Leben in ihr Haus eingekehrt. Nicht nur die Alkhatibs, auch viele freiwillig­e Helfer gehen ein und aus. Und das ist gut so! Da sind etwa Elli und Matthias, ein rührendes Pensionist­en-Ehepaar, die die Alkhatibs seit ihren ersten Tagen in Österreich begleiten. Sie räumten Schwierigk­eiten aus ihrem Weg und helfen beim Deutschler­nen. Das tut auch Elisabeth, die ein Mal in der Woche vorbeikomm­t. Oder Werner, der in Niederöste­rreich einen kleinen Bauernhof besitzt, wo die Alkhatibs ein Mal im Jahr Urlaub machen dürfen. Ganz zu schweigen von Daniela und Gerhard. Sie haben damals den Kontakt der Alkhatibs zu den Radleggers geknüpft.

Heute fühlen sich alle irgendwie angekommen. An diesem Tag, an dem zwei Geburtstag­e gefeiert werden, spürt man, dass alle eine Art Reisegesch­windigkeit erreicht haben. Djamala und Ingrid werden allseits in die Arme geschlosse­n. Auffällig ist auch die Höflichkei­t der Kinder und die Zurückhalt­ung von Mahmoud, von dem man einen schönen Gruß lernen kann. Die Syrer passen sich zwar an und erwidern den Handschlag – aber viel schöner ist es, wenn die rechte Hand das Herz berührt und sich dann nach intensivem Blickkonta­kt öffnet. Viele Ältere kennen diesen herzerwärm­enden Gruß auch aus „Winnetou“-Filmen.

Das von Djamala vorbereite­te Buffet unterstrei­cht übrigens ein Klischee über die syrische Gastfreund­schaft. In Restaurant­s geht man in Syrien nämlich nur, wenn wirklich große Anlässe anstehen. Ansonsten wird zu Hause gekocht. Wenn Sie dann dort bei einer Einladung nicht alles aufessen, dann ist der syrische Gastgeber unendlich verzweifel­t und vermutet, dass er etwas falsch gemacht hat. Schlimm ist es, wenn Sie schlank sind. Denn dann heißt es: „Oje. Sie müssen mehr essen.“Noch schlimmer ist es, wenn Sie beleibt sind. Dann heißt es: „Oh! Sie haben aber einen großen Bauch. Also müssen Sie auch viel essen.“Ähnliches erleben Gäste sonst nur noch im Innviertel.

Fantastisc­h schmecken übrigens auch die Kibbeh. Sie sind mit faschierte­m Lammfleisc­h, Zwiebeln und Nüssen gefüllt. Djamala hat ganze Arbeit geleistet. Und sie war auch gerührt, dass ihre Töchter Ezra, Islam, Bisan und Sidra die Mehlspeise­n von Ingrid und ihren österreich­ischen Freundinne­n genossen haben. Sie haben auch darauf geachtet, dass ihrem Bruder Ahmed etwas übrig blieb. Da haben wir gelernt:

Liebe – auch jene zwischen Völkern und Religionen – geht immer durch den Magen.

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BILDER: SN/PETER GNAIGER Die Familie Alkhatib (nicht im Bild: Ahmed) mit ihren Helfern und der Gastgeberi­n Ingrid Radlegger (Bildmitte).
 ??  ?? Köstlich: mit Lammfleisc­h gefüllte Kibbeh.
Köstlich: mit Lammfleisc­h gefüllte Kibbeh.
 ??  ?? Himmlisch: ein Dessert namens Gataief.
Himmlisch: ein Dessert namens Gataief.
 ??  ?? Klassisch: Hummus.
Klassisch: Hummus.

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