Das Bauhaus-Freilichtmuseum
Klare Linien, keine Schnörkel. Tel Avivs Häuser erzählen die Geschichte der israelischen Stadt am Mittelmeer.
erst später bewusst. Das Herzliya-Gymnasium war die erste Oberschule weltweit, in der auf Hebräisch unterrichtet wurde.
Mit den 30er-Jahren kamen jüdische europäische Architekten der von Walter Gropius vor genau 100 Jahren gegründeten Bauhaus-Schule. Und das sieht man heute noch – etwa rund um den Dizengoff-Platz, aber auch an der Allenby-Straße oder entlang des Rothschild-Boulevards. Dort, auf Nummer 16, steht der Unabhängigkeitssaal. In dem früheren Wohnhaus von Meir und Zina Dizengoff – sie gehörten zu den 66 Gründerfamilien von „Ahuzat Bayit“– wurde am 14. Mai 1948 die israelische Unabhängigkeitserklärung verabschiedet.
Mit rund 4500 Gebäuden beherbergt Tel Aviv die weltweit größte Ansammlung von Häusern im internationalen Stil der Bauhaus-Schule – Wohnbauten, Theater, Cafés, Kaufhäuser. Diese „Weiße Stadt“ist zwischen den 30er-Jahren und 1948 entstanden, ein Teil davon wurde 2003 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. „Einzigartig ist die mit der Errichtung dieser Gebäude einhergegangene Stadtplanung mit breiten Straßen wie dem Rothschild-Boulevard, der von Bäumen gesäumt wird. Das war hier in den 30erJahren eine regelrechte Revolution, speziell im Vergleich zum alten Jaffa“, schildert Meira Niv.
Möglich war das, weil viele aus Europa kommende Juden Ingenieure und Architekten waren. „Sie haben ihre Erfahrungen und Kenntnisse aus der deutschen Bauhaus-Schule mitgenommen und für ein heißes Land wie Israel adaptiert.“Der Städtebau musste wegen des starken Zuzugs von Einwanderern, die vor dem Nazi-Regime in Österreich und Deutschland flohen, schnell, einfach und praktisch erfolgen. Anders als in Deutschland hatten die Gebäude mit klaren, manchmal geraden, manchmal geschwungenen Linien oft Balkone, auf denen man die Brise des Meeres und die lauen Abende genießen können sollte. Wie geöffnete Laden einer Kommode stehen sie von den Häusern ab.
Den Namen „Weiße Stadt“bekamen die Häuser übrigens, weil sie sich wie weiße Würfel von den ockerfarbenen Sanddünen abhoben, auf denen Tel Aviv entstanden ist. Heute ist das Weiß oftmals einem Grau gewichen, an einigen blättert die Fassade, viele wurden bereits renoviert, andere werden gerade auf Vordermann gebracht.
Während Tel Aviv auf eine 110-jährige Geschichte zurückblickt, sind es in Jaffa vier Jahrtausende. Vor seiner Küste soll der Prophet Jonas von einem Wal verschlungen worden sein. Die Zedern aus dem Libanon für den Tempel Salomons kamen per Schiff in Jaffa an und wurden auf dem Landweg weiter nach Jerusalem transportiert. Bis zum israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 lebten mehrheitlich Araber in Jaffa – das bis dahin 400 Jahre lang unter osmanischer Herrschaft gestanden war. Heute ist die Altstadt von Jaffa mit ihren engen Gassen und dem alten Hafen ein Besuchermagnet. So wie die Wishing-Bridge unweit der St.Peter-Kirche. Wer sie besucht, dessen Wunsch geht angeblich in Erfüllung.
Tel Aviv und Jaffa könnten nicht gegensätzlicher sein und sind dennoch zusammengewachsen – zu Tel Aviv-Jaffa. Daran konnte auch der Bau der Hasan-Bek-Moschee nichts ändern, die der gleichnamige türkische Herrscher Jaffas 1916 als Barriere zwischen dem alten Jaffa und dem sich von Neve Tsedek aus breitmachenden Tel Aviv hatte errichten lassen. Am Strand hört man Arabisch, Hebräisch und Englisch. „Tel Aviv-Jaffa ist eine gemischte Stadt, in der arabische und jüdische Familien zusammenleben“, betont Meira Niv. Sie sagt auch: „In Tel Aviv we play, in Jerusalem we pray“, und bringt damit den Unterschied zwischen den beiden nur durch 71 Kilometer Wegstrecke getrennten Städten zum Ausdruck.