Boris Johnson startet zur nächsten Mondlandung
Die Tories wandeln sich zu einer Nationalistentruppe. Ein Lügner wird ihr Chef. Was uns das angeht? Er wird Premierminister.
Alles roger. Wenn es vor 50 Jahren möglich gewesen ist, zum Mond zu fliegen, dann können wir auch das „Problem des reibungslosen Handels an der nordirischen Grenze lösen“. Das sagte Boris Johnson, aller Voraussicht nach neuer Premierminister Großbritanniens, am Montag. Wie stets verriet er auch diesmal nicht, wie das Problem des reibungslosen Mondflugs von London nach Dublin zu bewältigen wäre.
Verlässt das Königreich die EU und ihre Zollunion, wird es eine Grenze zwischen der Europäischen Union und Großbritannien geben. Und zwar mit Kontrollen, wo und wie immer die stattfinden.
Bleibt das Königreich in der EU oder wenigstens in der Zollunion, wird es keine Grenzkontrollen geben müssen.
Salomonischer Kompromiss zwischen Variante 1 und Variante 2: der Austrittsvertrag. Zwei Jahre lang wird sich gar nichts ändern. Gibt es dann noch immer keine Lösung, etwa einen umfassenden Handelsvertrag, tritt Variante 2 in Kraft – so lange, bis eine Lösung gefunden ist. Diesen Kompromiss lehnt Johnson, Cheerleader der Brexit-Fans, vehement ab. Er verspricht, dank seiner Persönlichkeit die Realität zu ändern: Großbritannien tritt aus der EU aus und bleibt trotzdem drinnen, weil es „reibungslosen“, also: grenzenlosen, Handel geben wird. Ein echter Boris. Kürzlich hielt er bei einer Rede einen verpackten Räucherhering in die Höhe und sagte, die EU zwinge die armen Fischer dazu, ihre Ware nur noch auf teuren Eiskissen zu liefern. Das war gelogen. Es handelt sich um eine britische Vorschrift. Und das war beileibe nicht die erste Lüge des Mr. Johnson.
Doch darum geht es gar nicht. Die 160.000 ToryMitglieder, die Johnson zum Premierminister wählen, sind laut vorliegenden Daten meist über 60-jährige weiße englische Nationalisten. Sie sind eher missmutig und, wie Umfragen zeigen, radikal. Die sehr deutliche Mehrheit würde in Kauf nehmen, dass sich Schottland abspaltet und Nordirland gleich dazu, dass die Wirtschaft erheblichen Schaden nimmt, selbst dass die eigene Tory-Partei zerfällt – wenn nur der Brexit kommt und alles sein wird wie früher, so wie vor dem Zweiten Weltkrieg jedenfalls.
Getragen von diesem ideologischen Background wird Boris Johnson binnen einer Handvoll Wochen mehr, nämlich bis zum 31. Oktober, die nordirische Grenzfrage aufdröseln, Brüssel zum Umschwenken bringen und Großbritannien zum ersten EU-Mitglied machen, das nicht in der EU ist.
Flieg uns zum Mond, Boris!