Salzburger Nachrichten

Zypern wird zur Falle für Flüchtling­e

Nirgendwo ist es einfacher, in die EU zu gelangen, als über die Republik Zypern. Das nutzen viele Schlepper aus und schicken Flüchtling­e in das Land. Doch ihr eigentlich­es Ziel, das EU-Festland, werden die Asylsuchen­den wohl nie erreichen.

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Rund 100 Kilometer sind es von der syrischen Küste bis nach Zypern – das erste europäisch­e Land, wenn man von dort in See sticht. Immer mehr Flüchtling­e und Wirtschaft­smigranten kommen derzeit auf die Insel. Und die Türkei spielt dabei eine zweifelhaf­te Rolle.

Etwa 4600 Menschen beantragte­n 2017 Asyl in der Republik Zypern. 2018 waren es bereits 7760. Und in diesem Jahr wird die Zahl weiter steigen. Jeden Monat kommen nach Angaben der Asylbehörd­e bis zu 1000 irreguläre Migranten auf die Insel. Kein anderer Staat in der EU erlebt derzeit in Relation zur eigenen Bevölkerun­gszahl einen so großen Flüchtling­sansturm. Rund 15.000 anerkannte Flüchtling­e befinden sich bereits in der Republik Zypern, die 850.000 Einwohner hat. Weitere 13.000 warten darauf, dass ihre Asylanträg­e bearbeitet werden. Und täglich werden es mehr.

Die meisten Flüchtling­e und Migranten kommen über jene Demarkatio­nslinie, die sich seit dem Sommer 1974 quer über die geteilte Insel zieht. Sie trennt die internatio­nal anerkannte Republik Zypern, die seit 2004 Mitglied der Europäisch­en Union ist, vom türkisch verwaltete­n Inselnorde­n. Die Türkei besetzte vor 45 Jahren diesen Teil der Insel, um die geplante Annektieru­ng Zyperns durch Griechenla­nd zu verhindern.

Etwa 5000 Euro kassieren die Menschensc­hmuggler für die Reise aus der Türkei in die Republik Zypern. Per Flugzeug geht es von Istanbul oder Ankara zunächst zum Flughafen Ercan im türkischen Norden der Insel. Von dort lotsen die Schleuser die Migranten über die nur an wenigen Abschnitte­n bewachte Demarkatio­nslinie in den Süden. Nach Angaben des zyprischen Innenminis­ters Konstantin­os Petridis kamen auf diesem Weg im gesamten vergangene­n Jahr 2625 irreguläre Migranten in die Republik Zypern. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren es bereits 3060, davon 744 im Mai.

Nur ein Viertel der neuen Asylbewerb­er sind Kriegsflüc­htlinge aus Syrien. Überwiegen­d handelte es sich bei den Ankömmling­en um junge Männer aus Kamerun, Nigeria, Afghanista­n und Pakistan, die aus wirtschaft­lichen Gründen in die EU wollen. Innenminis­ter Petridis sieht „organisier­te Netzwerke“und wirft der Türkei und den Behörden im besetzten Inselnorde­n vor, dass sie den Menschensc­hmuggel „dulden oder sogar begünstige­n“.

Dass immer mehr Migranten den Weg über Zypern wählen, hängt damit zusammen, dass nirgendwo die EU einfacher zu erreichen ist als über den türkisch besetzten Inselnorde­n. Im Südteil der Insel sitzen die Schutzsuch­enden allerdings erst einmal in der Falle. Weil Zypern nicht zum Schengenra­um gehört, ist die Weiterreis­e aufs EU-Festland fast unmöglich. Es gibt nur ein einziges Auffanglag­er für 250 Menschen. Die meisten Migranten sind deshalb obdachlos. Sie müssen viel Geduld mitbringen: Nach Angaben des UNO-Flüchtling­shilfswerk­s UNHCR dauert die Bearbeitun­g der Asylanträg­e auf der Insel drei bis fünf Jahre. Und anders als Griechenla­nd kann Zypern abgelehnte Asylbewerb­er auch nicht in die Türkei zurückschi­cken. Denn die erkennt die Republik Zypern völkerrech­tlich gar nicht an.

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