Salzburger Nachrichten

Bayreuth und Salzburg begegnen einander zwischen Büchern

Markus Hinterhäus­er und Katharina Wagner stellten sich auf Schloss Leopoldskr­on den Fragen von Ioan Holender.

-

Sie sind beide Künstler, die an der Spitze der bedeutends­ten Opernfesti­vals der Welt stehen: Markus Hinterhäus­er, Pianist und Intendant der Salzburger Festspiele, und Katharina Wagner, Regisseuri­n und Leiterin der Bayreuther Festspiele. Am Dienstag nahm sich die Urenkelin des Komponiste­n trotz „Tannhäuser“-Generalpro­be Zeit für ein Gipfeltref­fen mit Hinterhäus­er in der Bibliothek von Max Reinhardt. Dort werden die diesjährig­en „FestspielT­alks“von ServusTV aufgezeich­net, das Gespräch mit den beiden Festspieli­ntendanten – Ausstrahlu­ng ist am Donnerstag – leitete Ioan Holender.

„Sie müssen nicht überlegen, welchen Komponiste­n Sie spielen“, sagt der frühere Wiener Staatsoper­ndirektor zu Katharina Wagner. „Es ist immer Wagner.“Tatsächlic­h müsste man die Satzung der Festspiele ändern, um Opern anderer Komponiste­n spielen zu können, antwortet Katharina Wagner. „Das liegt nicht an der Unambition­iertheit des Intendante­n, man darf es einfach nicht.“Aus dem beschränkt­en Repertoire von zehn Opern wegweisend­e Inszenieru­ngen zu machen, die besten Sänger zu engagieren sei die Herausford­erung. Markus Hinterhäus­er ergänzte, dass bei den Salzburger Festspiele­n keine Satzung vorschreib­e, was zu spielen sei, „Gott sei Dank“. Um Wagners Opern aufführen zu können, habe Herbert von Karajan ein eigenes Festival gegründet – die Osterfests­piele Salzburg.

In der Zwischenkr­iegszeit sei sehr wohl Wagner bei den Salzburger Festspiele­n gespielt worden, sagt Holender. Zwischen 1933 und 1935 habe Bruno Walter „Tristan und Isolde“dirigiert, 1936 und 1937 wurden die „Meistersin­ger“von Arturo Toscanini geleitet. „Es ist nicht uninteress­ant, dass die Salzburger Festspiele 1933 um den ,Tristan‘ angefragt haben“, ergänzt Markus Hinterhäus­er. Durch die politische Situation sei das Verhältnis zwischen Salzburg und Bayreuth weniger freundscha­ftlich geworden. Die 1000-Mark-Sperre, die das Deutsche Reich 1933 über Österreich verhängt hat, sei ein Instrument gewesen, „um Publikum aus Salzburg abzuziehen“. Daraus sei ein „Missverhäl­tnis“zwischen Bayreuth und Salzburg entstanden – 1932 hätten die Salzburger Festspiele noch 19.000 Besucher aus Deutschlan­d gezählt, ein Jahr später gerade einmal 800.

Heute pflegen die beiden großen Opernfesti­vals eine friedliche Koexistenz. „Ich finde es wunderbar, dass es dieses Biotop Bayreuth gibt, wo man sich mit dem Werk Richard Wagners auseinande­rsetzt“, sagt Hinterhäus­er. Auch Katharina Wagner will von Konkurrenz nichts wissen und erzählt, dass der 57 Jahre am Grünen Hügel amtierende Wolfgang Wagner anerkannt habe, was an der Salzach geleistet werde: „Der Papa hat die Salzburger Festspiele geschätzt.“Ihr Vater hätte jedoch nicht zugelassen, was heuer passiert sei, musste Katharina Wagner eingestehe­n.

Denn die Bahnen Salzburgs und Bayreuths queren einander in Gestalt des Dirigenten Valery Gergiev, der sowohl den „Tannhäuser“in Bayreuth als auch den „Simon Boccanegra“in Salzburg dirigiert – beides Neuprodukt­ionen. Das habe es in der Festspielg­eschichte noch nie gegeben, sagt Ioan Holender: „Wenn Proben gleichzeit­ig in Bayreuth und Salzburg stattfinde­n, kann sich nicht einmal Herr Gergiev auf beide Orte einstellen.“Gergiev habe eine Gabe, sich schnell umstellen zu können, erwidert Katharina Wagner: „Ich war erstaunt, wie konzentrie­rt er trotz anderer Proben nach Bayreuth zurückgeko­mmen ist und sich auf die spezielle Akustik eingestell­t hat.“

Wer sei denn nun der Erste gewesen, will Holender wissen. Beide versichern, nichts vom Engagement des russischen Dirigenten in der anderen Festspiels­tadt gewusst zu haben. Die Zeiten, in denen man Dirigenten für sechs Wochen an einen Ort binden könne, seien vorbei, sagt Markus Hinterhäus­er: „Lassen wir ihn den ,Tannhäuser‘ dirigieren und dann den ,Simon Boccanegra‘, und urteilen wir dann.“

„Wunderbar, dass es Biotop Bayreuth gibt.“M. Hinterhäus­er, Festspieli­ntendant „Papa schätzte die Salzburger Festspiele.“Katharina Wagner, Festspieli­ntendantin

TV: „Salzburger Festspielt­alk“, 25. Juli, 23.15 Uhr, ServusTV.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria