Salzburger Nachrichten

Schimpanse­n haben ähnliches Gedächtnis wie Menschen

Wie Tiere denken, ist wenig erforscht. Umso mehr verblüffen Studien an Menschenaf­fen.

- SN, APA

Schimpanse­n verfügen offenbar über ein ähnliches Arbeitsged­ächtnis wie Menschen. Sie merken sich mindestens vier vorhergehe­nde Handlungen und passen ihr Tun dementspre­chend an. Das entspricht in etwa den Fähigkeite­n siebenjähr­iger Kinder. Das ergaben Forschungs­arbeiten, an denen Wiener Wissenscha­fter beteiligt waren und die nun im Fachblatt „Proceeding­s of the Royal Society B“veröffentl­icht wurden.

Die Fähigkeit, sich Informatio­nen über gewisse Zeiträume bewusst zu merken und daraus etwa abzuleiten, wie eine komplexere Aufgabe bewältigt werden kann, wird als eine der großen Errungensc­haften in der Entwicklun­g menschlich­en Denkens angesehen. Damit etwa ein Satz oder Text verstanden werden kann, muss man sich am Schluss noch an dessen Beginn erinnern können.

Die Wissenscha­ft geht davon aus, dass vor allem der Mensch über ein leistungss­tarkes Arbeitsged­ächtnis verfügt. Wie es um diese Fähigkeit bei Tieren bestellt ist, ist hingegen noch relativ wenig erforscht. Wissenscha­fter der Universitä­t von St. Andrews, vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig und vom Messerli Forschungs­institut der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien (Vetmed) untersucht­en nun das Arbeitsged­ächtnis unserer engsten Verwandten im Tierreich – der Schimpanse­n (Pan troglodyte­s) – in einem Futtersuch­e-Experiment.

„Frühere Studien zeigten bereits, dass Schimpanse­n ein exzellente­s Langzeitge­dächtnis besitzen. Bisher war allerdings wenig über ihr Arbeitsged­ächtnis bekannt“, erklärt Christoph Völter von der Vetmed. In der Studie konnten insgesamt 13 Tiere jeweils beobachten, wie die Forscher Futter in unterschie­dlichen undurchsic­htigen Boxen versteckte­n. Wählten die Schimpanse­n dann eine Box aus, die Nahrung enthielt, erhielten sie diese als Belohnung. Nach jedem Versuch wurden die Boxen für 15 Sekunden abgedeckt.

Damit die Menschenaf­fen die maximale Futterausb­eute erzielten, mussten sie sich also merken, welche Behälter sie schon zuvor ausgewählt hatten. Je nach dem Abschneide­n der einzelnen Tiere verkompliz­ierten die Wissenscha­fter die Aufgabe und änderten entweder deren Anordnung oder Anzahl. In weiteren Tests wurden die Tiere auch zusätzlich abgelenkt. Es zeigte sich, dass sich die Schimpanse­n im Schnitt an mindestens vier von ihnen bereits ausgewählt­e Boxen erinnerten. Ein junger Schimpanse merkte sich sogar sieben Behälter.

Diese deutlichen Unterschie­de im Abschneide­n bei der Aufgabe waren auch über mehrere Monate stabil, in denen die Tiere das Experiment ständig wiederholt­en. Das Aussehen der Boxen und deren Position spielten ebenso eine Rolle bei den erzielten Ergebnisse­n. Wie auch Menschen taten sich die Affen deutlich schwerer, wenn man sie durch eine zweite oder dritte Aufgabe ablenkte. Im Unterschie­d zu Menschen gingen die Tiere jedoch nicht systematis­ch vor: So kam kein Schimpanse auf die Idee, die Behälter der Reihe nach abzusuchen. Insgesamt fanden die Wissenscha­fter jedoch deutliche Parallelen im Arbeitsged­ächtnis von Schimpanse­n und Menschen: „Unsere Studie zeigt, dass Schimpanse­n ähnlich abschneide­n wie siebenjähr­ige Kinder in einer für sie leicht verständli­chen Arbeitsged­ächtnisauf­gabe, die ohne langwierig­es Training auskommt“, sagt Völter.

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