Der Kreml bombt in Syrien
Die Offensive der Assad-Armee kommt nicht voran. Nun werden Wohngebiete bombardiert – um den Widerstand zu brechen.
DAMASKUS. Er hoffe, dass Putin und Assad für ihre Verbrechen von dem Allmächtigen zur Rechenschaft gezogen werden, ruft Abdul Rahman al Yasser von der syrischen Hilfsorganisation Weißhelme. Er zeigt auf die zerfetzten Leichen am Rand einer von Schutt übersäten Straße. 48 Stunden lang hatten die syrische und die russische Luftwaffe die syrische Provinz Idlib bombardiert. Sie ist die letzte Bastion der Gegner des Assad-Regimes. Dort sammeln sich auch die islamistischen Milizen, die sich mit dem Terrornetzwerk Al Kaida solidarisieren. Die ideologische Ausrichtung rechtfertige aber nicht die „gezielten Angriffe gegen die lebensnotwendige Infrastruktur“der an die Türkei grenzenden Provinz, heißt es in einer Erklärung der Vereinten Nationen.
Mehr als 80 Zivilisten starben bei den seit Montag andauernden Bombardements. Am schwersten betroffen ist die Stadt Maarat al Numan, wo 40 Menschen, darunter viele Kinder, ums Leben kamen. Die Provinz habe sich „für Zivilisten und Helfer zu einer der gefährlichsten Regionen der Welt“entwickelt, sagte ein UNO-Sprecher, der einen sofortigen Waffenstillstand verlangte.
Eine Waffenruhe hätte bereits im September vergangenen Jahres in Kraft sein müssen. In einem eigenen Abkommen hatten die Türkei und Russland die Demilitarisierung der letzten aufständischen Provinz vereinbart. Dazu ist es nicht gekommen. Anstatt die Waffen der Dschihadisten zu übernehmen und außer Landes zu bringen, lieferte die türkische Armee den islamistischen Rebellen neues, moderneres Kriegsgerät, mit dem sie der AssadArmee hohe Verluste zufügten. Die zur Rückeroberung von Idlib angetretenen syrischen Regierungstruppen mussten sich an einigen Frontabschnitten zurückziehen. Weitere Offensiven scheiterten auch deshalb, weil Moskau von Damaskus verlangt hat, in Zukunft auf die Schützenhilfe iranischer Truppen und schiitischer Milizen zu verzichten. Ihr Einfluss in Syrien soll schrittweise zurückgedrängt werden. Ohne Erfolgsaussichten am Boden greifen Assad-Regime und russische Verbündete auf eine Methode zurück, die sie bereits bei der Belagerung Aleppos angewandt haben: rücksichtslose Bombardierung ziviler Infrastruktur, um den Widerstand zu brechen. Die Zivilbevölkerung soll zermürbt und demoralisiert werden.
In dem Gebiet leben rund drei Millionen Menschen, etwa die Hälfte davon Vertriebene. 340.000 Menschen sind derzeit auf der Flucht zur türkischen Grenze, wo sie in Auffanglagern auf bessere Zeiten warten. Für ihr Elend machen die Menschen nicht nur das Assad-Regime verantwortlich. Die französische Nachrichtenagentur AFP zitierte Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die sich über die Willkür der „Regierung der Errettung“in Idlib beklagten, die von den Islamisten eingesetzt worden ist. Seit Jänner würden die Dschihad-Kämpfer die Arbeit der Hilfsorganisationen mehr und mehr behindern. Bedrohungen, Misshandlungen, Verhaftungen sowie Entführungen gehörten mittlerweile zum Alltag. Ziel der „Regierung der Errettung“ist es, ein islamisches Emirat nach Vorbild der afghanischen Taliban zu errichten.