Salzburger Nachrichten

Verkehrsmi­nister hat auch Mautpleite am Hals

Der CSU-Politiker Andreas Scheuer muss den Abschluss millionent­eurer Verträge erklären.

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Wenn Transparen­z mit der Schwere des Papiers zunimmt, sollten alle Fragen zur Mautpleite des deutschen Verkehrsmi­nisters Andreas Scheuer geklärt sein. Mit einem Aktenwagen voller Ordner und Tausenden Dokumenten erschien der CSU-Politiker zur eigens seinetwege­n anberaumte­n Sondersitz­ung des Verkehrsau­sschusses im Bundestag.

Dabei hatte er die Verträge mit den Mautfirmen, Tausende Blätter, auf denen die interne Kommunikat­ion des Ministeriu­ms verzeichne­t ist, Angaben zum Risikomana­gement seines Hauses und vieles mehr. Dabei wollte der Ausschussv­orsitzende Cem Özdemir von den Grünen nur zwei Antworten vom Minister: „Warum hat er sechs Monate vor dem Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes (EuGH) Verträge über zwei Milliarden Euro abgeschlos­sen und welche Kosten entstehen nun dem Steuerzahl­er?“

Dazu sagte Scheuer zunächst nichts. Der FDP-Abgeordnet­e Oliver Luksic addierte einzelne Posten auf, etwa die Spezialaus­rüstung für Mautkontro­llfahrzeug­e. Özdemir sieht finanziell­e Risiken von einer halben Milliarde Euro für das Budget. Keine zwei Stunden später war die Fragestund­e vorbei. Und die Opposition nach eigener Aussage nicht viel klüger als zuvor. „Der Minister hat die Chance verpasst, für Transparen­z zu sorgen“, sagte der grüne Fraktionsv­ize Oliver Krischer. Scheuer habe allen anderen die Schuld an der Misere gegeben, nur nicht sich selbst. Deshalb würden die Grünen zusammen mit den anderen kleinen Parteien einen Untersuchu­ngsausschu­ss zur Maut beantragen, sofern sich die Hintergrün­de bis zum Herbst nicht klären ließen. Zuvor müssen die Abgeordnet­en sich allerdings erst einmal durch den Papierberg arbeiten.

Minister Andreas Scheuer zog ein anderes Fazit der Sitzung. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagte er. Mehr als 200 Fragen der Abgeordnet­en seien beantworte­t worden. Nur die eine Antwort, auf die die Öffentlich­keit wartet, fehlt. Wie teuer wird das Maut-Abenteuer? Eine genaue Zahl wird sich derzeit kaum ermitteln lassen. Denn nur die bisherigen Sachkosten sind bekannt. Die Mautfirmen werden aber wohl auf eine Entschädig­ung für die Vertragskü­ndigung durch Scheuer pochen. Der Minister hat ihnen entspreche­nde Schreiben unmittelba­r nach dem Pleiteurte­il des EuGH zukommen lassen. Wie hoch der Schadensau­sgleich sein wird, muss wohl zwischen den beteiligte­n Parteien in einem Schiedsver­fahren ausgehande­lt werden.

Scheuer hat das Maut-Desaster geerbt. Der Einfall geht auf den früheren CSU-Chef Horst Seehofer zurück. Vorangetri­eben hatte ihn Alexander Dobrindt, als er noch Verkehrsmi­nister war. Doch Scheuer hat sich das rechtlich zweifelhaf­te Vorhaben zu eigen gemacht und es in Verträge gegossen, die in ein kostspieli­ges Desaster führten.

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