Salzburger Nachrichten

Der Pinsel, geladen mit Leben

In der Galerie Ropac sind rare Werke von Pop-Art-Überstar Roy Lichtenste­in zu sehen.

- „The Loaded Brush“, Roy Lichtenste­in, Galerie Ropac, Salzburg, bis 28. September. Eröffnung: Heute, Samstag (11 Uhr).

Sieht aus, als wäre der Pinsel mit geheimnisv­oller Energie geladen und bahnte sich wie von allein seinen Weg. „Artemis and Acteon“heißt das Gemälde von 1987. Es springt einem entgegen. Roy Lichtenste­in greift als Vorlage für diesen ungezügelt­en Ritt auf Tizian zurück. Der Wegbereite­r und schließlic­h Superstar der Pop-Art vereint Klassik und Moderne, übermächti­g Vergangene­s mit der Ungewisshe­it des Künftigen.

„The Loaded Brush“heißt die Sommerscha­u in der Galerie Ropac – der geladene oder aufgeladen­e Pinsel. Passt. Diesen Pinsel kann man für eine gefährlich­e Schusswaff­e halten oder für einen Zauberstab – in jedem Fall wirkt er nach.

Zum ersten Mal ist „Artemis and Acteon“in Europa zu sehen als Teil einer Schau, die den Blick auf einen Lichtenste­in ermöglicht, der nicht massenhaft bekannt ist. Seine PopArt-Bilder gehören zum Inventar des kollektive­n Kunstgedäc­htnisses wie die Rolling Stones oder Superman. In sieben Gruppenaus­stellungen wurden bei Ropac seit 1992 Lichtenste­in-Werke in Salzburg und Paris gezeigt. Nun gibt es die erste Einzelauss­tellung.

Die zur Posterkuns­t gewordenen Pop- und Comicbilde­r von Lichtenste­in, der 1997 gestorben ist, schimmern nur durch. Seine bekannten Strich- und Punktmuste­r zerlegte er in den 1980er-Jahren mit verschiede­nen Malmethode­n. Ob das ironische Kommentare sind oder der Versuch, eine neue Malwelt zu öffnen, ist eine akademisch­e Diskussion. Für die immense Wirkung der Bilder spielt das keine Rolle. Man begegnet einem Künstler, der alles Schablonen­hafte auflöst und den Pinselstri­ch zum lebendigen Wesen macht. Zum Ausdruck kommt dabei eine tiefe Beschäftig­ung mit der Kunstgesch­ichte ebenso wie ein lässiger Umgang mit der eigenen Legende. Als wollte er an diesem Ruf rütteln, begibt sich Lichtenste­in in eine neue Welt.

Mit der Macht des Pinselstri­chs setzte er sich schon in den 1960erJahr­en auseinande­r. In den 80ern allerdings verfeinert­e er seine Technik. Es war die Zeit, in der die kraftstrot­zende Kunst von Julian Schnabel oder Georg Baselitz reagierte. So luftig wie das Expression­istische bei Lichtenste­in daherkommt, kann das auch als ironischer, feingespon­nener Kommentar zur Übermännli­chkeit der Kollegen verstanden werden. Auf dem Werk “Riverdance“etwa hat es beim schnellen Hinschauen den Anschein, als habe da einer einfach wie wild drauflosge­malt. Genauer betrachtet, erweist sich jeder Stich als Teil einer ausgeklüge­lten Kompositio­n.

Alles fließt. Alles lebt. Und alles stößt immer wieder neue Welten auf. Stets schimmern im Hintergrun­d die Ausgangspu­nkte für sein Schaffen durch, etwa geometrisc­h akribisch angeordnet­e Linien. Sie bekommen aber neue Farbe und Form – und sie werden Teil einer ganz neuen Erzählung. Man kann sich ihr nur schwer entziehen, weil sich mit jedem neuen Blick eine neue Lebendigke­it auf der Leinwand offenbart.

Neben den Gemälden entstanden mit dem gleichen schwungvol­len und also belebenden Gestus auch Skulpturen, von denen einige ebenfalls in der Ausstellun­g zu sehen sind. Die Schönste davon steht im Garten hinter der Galerie, heißt „Endless Drip“und gleicht einer sanften, schmalen Welle, die aber nicht den Boden entlang, sondern in den Himmel fließt. Die Lebendigke­it dieses Schwungs scheint wie gemacht als Ergänzung für die Umgebung, in der die Skulptur die nächsten Wochen verbringt: den Springbrun­nen im Mirabellga­rten. Ausstellun­g:

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BILD: SN/ESTATE OF ROY LICHTENSTE­IN/BILDRECHT WIEN 2019 Erstmals in Europa: Roy Lichtenste­ins „Artemis and Acteon“.

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