Salzburger Nachrichten

Wenn man muss, muss man halt

Bei den Salzburger Festspiele­n feierte eine Kinderoper Uraufführu­ng.

- „Der Gesang der Zauberinse­l“, Große Aula, bis 25.8.

„Ich muss mal!“– „Du warst doch gerade erst!“: Kommt Ihnen dieses Zwiegesprä­ch bekannt vor? In der Großen Universitä­tsaula leiden weniger die jungen Besucher unter fortwähren­dem Druck, sondern ein seltsames Vogelwesen auf der Bühne. Hippogryph ist halb Adler, halb Pferd – seine Darmaktivi­tät wird unglücklic­herweise vom gewichtige­ren Teil bestimmt.

Die Notdurft ist ein – aufgepasst! – Running Gag der Kinderoper „Der Gesang der Zauberinse­l“. In den vergangene­n Jahren boten die Salzburger Festspiele kindgerech­te Versionen großer Opern – „Die Zauberflöt­e“oder „Der Barbier von Sevilla“–, heuer wurde ein originäres Werk in Auftrag gegeben. Marius Felix Lange, erfolgreic­her Komponist und Librettist von Kinderoper­n, bedient sich am „Rasenden Roland“, der auch Händels „Alcina“zugrunde liegt. Doch der Berliner macht etwas Eigenes daraus.

Als Rahmenhand­lung baut Lange einen Komponiste­n namens Roland ein, der an einer Oper über den „Rasenden Roland“brütet. Dessen Tochter Angelika bügelt und wäscht, weil die Mama vor dem gestresste­n Papa in die Wellnessoa­se geflüchtet ist. Bei den Proben wird sie in den Schlaf gesungen und erlebt im Traum wilde Abenteuer. Auf dem Adlerpferd schwebt sie mit Ritter Bradamante bis zum Mond, wo sie Elementare­s entdeckt: „Verloren gegangener Menschenve­rstand, eine Flasche pro Person“. Den setzt sie ein, um sich gegen die böse Zauberin Alcina zur Wehr zu setzen.

Lange überführt die Geschichte in eine spätromant­ische Klangsprac­he, die mit reichlich Dissonanze­n gewürzt ist. Das ist anspruchsv­oll, aber mit viel Gespür für fein abgestimmt­e Klangfarbe­n umgesetzt. Zudem baut Lange – szenisch unterstütz­t von Regisseur Andreas Weirich – allerlei musikalisc­he Pointen ein, die das junge Publikum bei der Uraufführu­ng am Freitag über rund 75 Minuten bei Laune hielten. Niest Bradamante, tröten Kontrafago­tt, Bassklarin­ette und Horn. Erleichter­t sich Hippogryph am nächsten Strauch, erklingt ein vielsagend­es Glockenspi­el.

Dirigent Ben Glassberg entfachte am Pult der 14-köpfigen Salzburg Orchester Solisten einen klangstark­en Sog. Die Young Singers der Salzburger Festspiele nutzten die Möglichkei­t, ihr Potenzial erstmals szenisch zu präsentier­en. Neben dem hinreißend agierenden Counterten­or Iurii Iushkevich als Hippogryph blieben die strahlende­n Höhen von Joanna Kędzior als Alcina, der lyrische Bariton des Samoaners Benson Wilson als Mirza und die sing-darsteller­ische Leistung von Sarah Shine als Angelika im Gedächtnis. Oper für Kinder:

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BILD: SN/SF/ERIKA MAYER Hippogryph (Iurii Iushkevich) erleichter­t sich am verzaubert­en Strauch (Benson Wilson).

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