Salzburger Nachrichten

Die „Zeit mit Dusapin“ist angebroche­n

Die Musik des Franzosen, dem die Salzburger Festspiele eine Konzertrei­he widmen, hat Kraft, Gefühl und Struktur. Doch etwas fehlt.

- „Zeit mit Dusapin“, Salzburger Festspiele, bis 6. August.

SALZBURG. Neuerlich wurde bei der Ouverture spirituell­e der Salzburger Festspiele eine eigene Art von Religiosit­ät ins Blickfeld gerückt: Werke von Sofia Gubaidulin­a wurden den Werken von Pascal Dusapin vorangeste­llt, dem die damit beginnende sechsteili­ge Konzertrei­he „Zeit mit Dusapin“gewidmet ist.

Dass Pascal Dusapin Vorlesunge­n bei Iannis Xenakis besucht hat, hört man jener Musik, die am Donnerstag­abend in der Kollegienk­irche erklungen ist, kaum an. Die Zeit bei Olivier Messiaen ist an manchen Farbtupfer­n und vielleicht an unkonventi­onellen Stimmführu­ngen ablesbar. Die Kraft seiner Musik ist durch die Rückbesinn­ung auf Elemente der Konvention gebändigt, vor allem in A-cappella-Abschnitte­n. Diese Musik erzählt – durchaus unkonventi­onell – von Gefühlen, arbeitet immer wieder mit überrasche­nden Wendungen, die ein individuel­les Gepräge sichern. Sie ist mit Emotionen aufgeladen und deutlich strukturie­rt zugleich. Aber sie packt nicht.

Das präzise Dirigat von Laurence Equilbey verdient großes Lob. Dass der Beifall für die Aufführung fast frenetisch­e Ausmaße erreicht hat, ist ihr und dem von ihr vor fast dreißig Jahren gegründete­n Choeur Accentus zu verdanken. Beim „Dona eis“trat noch das „österreich­ische ensemble für neue musik“(oenm) mit seinen Bläsern hinzu und sorgte für eine raffiniert­e Abmischung von Gesungenem und Geblasenem.

Sofia Gubaidulin­as „Sieben Worte“für Violoncell­o, Bajan (die russische Knopfharmo­nika) und Streicher, mit denen das Konzert begonnen hat, zeichnen sich durch eine kratzbürst­ige und wortlose Unterart von Glaubensbe­kenntnis aus, das den beiden Solisten – Clemens Hagen am Cello und Stefan Hussong am Bajan – höchste Spielferti­gkeit abverlangt­e. Töne werden da gefordert, die weit über das Normale hinausführ­en, weil sie ja auch im Inhaltlich­en Glaubens- und politische Opposition­sfragen miteinande­r vermengen. Es handelt sich dabei also um Musik, wie sie nur vor 1989 und nur im kommunisti­schen Einflussbe­reich Osteuropas möglich gewesen ist.

Selten genug kann man sie in Aufführung­en hören. Das liegt nicht an mangelnder Qualität, sondern daran, dass dieser Musik mit dem Ende des Kommunismu­s der gesellscha­ftliche Boden entzogen worden ist. Nur auf ihm konnte sie entstehen.

Das wurde auch in der Kollegienk­irche spürbar: Die Kraft, die in ihr steckt, muss sich auch heute nicht verstecken, auch wenn man sie mit historisch­er Distanz hört. Der Vergleich mit den vielen zahnlosen Werken der Gegenwarts­musik legt das nahe. Mehr noch: Er macht einen sicher, dass diese Musik ihre Kraft aus einer Opposition­shaltung bezieht.

Was gibt es nicht alles in den „Sieben Worten“zu hören, das quersteht! Chromatisc­he Skalen, verwaschen­e Töne im begleitend­en Streichorc­hester, malträtier­ende Bajan-Schläge. Das ist ein unwirsches, knorriges und mürrisches Stück. Da merkt man auch, wie weit sich die Camerata Salzburg mit ihrem taktgebend­en Konzertmei­ster Roberto González-Monjas voranentwi­ckelt hat. Schau, schau und hör, was die Camerata Salzburg – auch auf dem Gebiet der Neuen Musik bis ins Terrain des Fast-Unhörbaren vorstoßend – alles kann! Konzerte:

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BILD: SN/SF/MARCO BORRELLI Dirigentin Laurence Equilbey in der Kollegienk­irche.

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