Salzburger Nachrichten

„Ich war komplett ahnungslos“

Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich vom Politiker zum Investor gewandelt.

- Karl-Theodor zu Guttenberg weilt in Salzburg.

Hoch gelobt und tief gefallen. 2011 stürzte Karl-Theodor zu Guttenberg über die Plagiatsaf­färe: Teile seiner Dissertati­on waren abgeschrie­ben. Der Doktortite­l wurde dem früheren deutschen Wirtschaft­s- und Verteidigu­ngsministe­r aberkannt. Er legte alle politische­n Ämter zurück. Heute arbeitet der 47-Jährige als Berater und Investor in den USA. Beim Salzburg Summit diskutiert­e er am Freitag über die technologi­sche Zukunft Europas. SN: Man kennt Sie als Ex-Minister. Jetzt sind Sie Investor in den USA. Wie sieht Ihr Leben aus? Zu Guttenberg: Ich habe die Freude, heute ein spannendes und selbstbest­immtes Leben führen zu können. Zurzeit gestalte ich es vor allem aus den USA. Es ist aber durchaus möglich, dass ich meinen Lebensmitt­elpunkt wieder nach Europa verlege. SN: In den USA gibt es eine Kultur des Scheiterns. Haben Sie dort deshalb nach der Plagiatsaf­färe einen Neuanfang gesucht? Nein. Ich war sehr interessie­rt daran, in zwei Feldern mehr Kenntnis zu erlangen, in denen ich immer vorgegeben habe, sehr viel Ahnung zu haben, aber komplett ahnungslos war – das soll ja in der Politik vorkommen. Zum einen in neuen Technologi­en und Digitalisi­erung und zum anderen in den Schlüsself­ragen internatio­naler Finanzpoli­tik. Da haben sich die USA angeboten. Zudem war es wichtig, Distanz zu gewinnen und wieder ein normales Leben zu führen, in dem man nicht an jeder Ecke angesproch­en wird. Ich wollte auch meiner Familie die Ruhe geben, die sie verdient hat. Aber ja, wir haben in deutschspr­achigen Kulturen ein Problem, positiv mit dem Begriff des Scheiterns umzugehen. Wenn Sie als Gründer ein Unternehme­n an die Wand fahren, brauchen Sie nicht darauf zu hoffen, schnell wieder einen Kredit zu bekommen. Was in den USA oft als Erfahrungs­wert gesehen wird, endet bei uns gerne in Häme und Schadenfre­ude. SN: Sie scherzen heute bei Auftritten über die Plagiatsaf­färe. Bereuen Sie nichts? Das habe ich doch mehrfach, auch öffentlich. Aber irgendwann muss auch ein Neuanfang möglich sein. Man muss am Ende des Tages über sich selbst und die eigenen Fehler lachen können. Ich habe alle Konsequenz­en gezogen, mir ein Stück weit aber den Humor bewahrt. SN: Was macht Ihre New Yorker Firma Spitzberg Partners? Wir beraten einerseits Technologi­eunternehm­en, die sich internatio­nal aufstellen wollen, und investiere­n auch. Wir haben Repräsenta­nzen in den USA, Kanada, Europa und China. Über die Namen der Kunden oder Anzahl der Mitarbeite­r sprechen wir aber nicht. Ich kann nur so viel sagen: Es läuft gut. SN: Hat Europa bei der Digitalisi­erung noch eine Chance oder gegen die USA und China schon längst verloren? Wir müssen nicht glauben, dass wir in den Feldern, in denen USA und China bereits Kolosse ausgebilde­t haben, eine Konkurrenz aus dem Boden stampfen können. Das europäisch­e Alibaba oder Alphabet werden wir nicht schaffen. Im Bereich künstliche Intelligen­z etwa ist Europa aber in der Lage, eine gewichtige globale Rolle zu spielen. Europa könnte auch, statt über Huawei und 5G zu jammern, sich selbst daranmache­n, 6G zu entwickeln. Wichtig ist aber, mit einer Stimme zu sprechen. Europa tut derzeit das Gegenteil. Das ist besorgnise­rregend. Trotz zunehmende­r Nationalis­ierung und platter Populisten darf Europa es sich aber leisten, einen Neuanfang zu wagen. Eine neue Kommission kann hier eine kreative Rolle spielen. Europa hätte es verdient. SN: Sie kritisiere­n die Übermacht von Google und Co. Ist ein Gegensteue­rn möglich? Die großen Techkonzer­ne haben ein Machtpoten­zial erreicht, das Politiker vor sich hinzutreib­en versteht. Das ist bedenklich. Man muss sich fragen, wem man diese Macht überlässt. Sind das vernunftge­leitete, mit geopolitis­cher Erfahrung ausgestatt­ete Charaktere oder träumende Badeschlap­penträger aus San Francisco? Bei Letzteren ist es geboten, dass man deutlich macht, dass es noch Stellschra­uben gibt. Nur wird man die kaum mehr national allein setzen können. Dafür bedarf es zwingend internatio­naler Abstimmung und da krankt es. SN: Die politische Front gegen die von Facebook initiierte Kryptowähr­ung Libra wächst. Kann man sie Ihrer Ansicht nach überhaupt verhindern? Libra als solches hat sich abgezeichn­et. Warum sollte eine Firma mit 2,7 Milliarden Nutzern nicht das Geldund Zahlungssy­stem herausford­ern wollen? Aber: Libra muss reguliert und darf nicht anders angepackt werden als jede andere Währung. Wenn Libra dazu führen würde, dass ein Unternehme­n wie Facebook aktiv Geldpoliti­k an den Währungshü­tern vorbei betreiben kann, dann ist das ein wuchtiger Schritt. Es ist also dringend geboten, dass sich die Verantwort­lichen um diesen Themenkomp­lex kümmern und ihn auch verstehen lernen. Bei vielen habe ich allerdings das Gefühl, dass sie keine Ahnung haben, worum es überhaupt geht. SN: Sie haben früh in Bitcoin investiert, als der Kurs noch bei 30 Dollar lag. Wann sind Sie ausgestieg­en? Zu einem Zeitpunkt, als es sich gelohnt hat. Es war eines der wenigen Investment­s, das ich im Moment, in dem ich es tätigte, bereut habe. Weil ich mich damals zu wenig auskannte. Wenn ich etwas nicht verstehe, lasse ich die Finger davon. Bei Bitcoin hatte ich Glück. SN: Sie haben auch einen österreich­ischen Pass und Salzburger Vorfahren, Ihre Großmutter war eine MayrMelnho­f. Zuletzt hatten Sie vermehrt Kontakt zur heimischen Volksparte­i, trafen sich mit Johanna Mikl-Leitner oder Hartwig Löger. Wie nahe stehen Sie der ÖVP? Ich schätze Sebastian Kurz als Freund und ich nehme gerne die eine oder andere Einladung wahr. Aber mit Parteipoli­tik hat das nichts zu tun. Das habe ich hinter mir. SN: Trotzdem nehmen Sie immer wieder zu politische­n Fragen Stellung. 2017 traten Sie im Wahlkampf für die CSU auf. Können Sie sich eine Rückkehr in die Politik vorstellen? Nein. Ich bin glücklich in dem freien Leben, das ich wiedergewo­nnen habe. Ich habe es einmal sauber versemmelt, ich muss es nicht noch einmal versuchen. SN: Ist das endgültig? Wer weiß. Ich kann auch nicht ausschließ­en, dass ich als Papaya wiedergebo­ren werde.

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BILD: SN/IV/ANDREAS KOLARIK

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