Salzburger Nachrichten

Der große Hunger am Sonntag

Sonntagsöf­fnung ist verboten. Und doch sperren immer mehr Lebensmitt­elhändler auf. Möglich machen das über 60 Ausnahmen. Längst nicht alles sei rechtens, klagt nicht nur die Gewerkscha­ft.

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SALZBURG. Frische Semmerl für das Frühstück, ein Strauß Blumen für den vergessene­n Geburtstag der Oma oder die Kiste Bier für das spontane Grillfest am Abend – ein Sonntag ohne einzukaufe­n, das ist offenbar auch für viele Österreich­er nicht mehr vorstellba­r. Vom Lungau bis ins Salzkammer­gut, von den Kärntner Seen bis nach Tirol: Supermärkt­e wie Diskonter werben derzeit damit, auch sonntags für ihre Kunden offen zu halten.

Dabei ist die Sonntagsöf­fnung in Österreich verboten. Und gebetsmühl­enartig betonen alle Seiten – von Wirtschaft­skammer bis Gewerkscha­ft, vom Handel bis zur katholisch­en Kirche – in sonst nicht vorstellba­rer Einigkeit, daran auch künftig nicht rütteln zu wollen.

Doch keine Regel ohne Ausnahme: Beim Verbot der Sonntagsöf­fnung sind es mehr als 60, heißt es in der Wirtschaft­skammer. Den genauen Überblick hat freilich keiner mehr, denn nicht nur für Länder und Gemeinden, auch für einzelne Veranstalt­ungen oder Straßenzüg­e und erst recht für verschiede­nste Branchen und Sparten gibt es Sonderrege­lungen: Ob Bahnhofsre­gelung, Tankstelle­nshop, Tourismusv­erordnunge­n, Gastrokonz­essionen oder die Regelung für Familienbe­triebe, wo der Inhaber selbst im Laden steht.

Wie viele Händler sonntags aufsperren, ist ebenso unbekannt. 148 Filialen sind es bei Spar, vom Kaufmann bis zum Tankstelle­nshop. 62 Geschäfte sind es bei Billa, dazu kommen ein Merkur und zwei Penny-Filialen – und die zu Rewe zählenden Tankstelle­nshops und manche Adeg-Kaufleute. Sieben Filialen meldet Lidl, 15 der Diskonter Hofer.

„Fest steht, es werden immer mehr“, sagt Gerald Forcher, Chef der Salzburger Gewerkscha­ft der Privatange­stellten GPA: „Kaum sperrt ein Geschäft in der Gemeinde auf, ziehen alle anderen nach.“In Salzburg ist es vor allem die Tourismusr­egelung, die sonntags ein Offenhalte­n für vier Stunden in Winterspor­torten oder Sommersais­ongemeinde­n erlaubt. Wer darunter fällt, bestimmt das Land. „Warum Schleedorf oder Golling ein Sommersais­onort ist oder St. Gilgen und Strobl Winterspor­thochburge­n, das muss mir erst jemand erklären“, sagt Forcher verärgert.

Gerade die Tourismush­ochburg Wien ist es im Übrigen, die als einziges Bundesland in Österreich bisher keine Tourismusr­egelung hat.

Noch mehr ärgert Forcher, dass auch sonst vieles nicht rechtens ablaufe. So dürften eigentlich nur Lebensmitt­el verkauft werden, Smartphone­s und Fernsehger­äte, wie sie manche Diskonter auch sonntags anbieten, aber auch Hundefutte­r fielen definitiv nicht darunter. „Wir werden daher jetzt Probekäufe­r losschicke­n und gegebenenf­alls klagen“, kündigt Forcher an.

Unterm Strich, so sagt er, rechne sich das Offenhalte­n – mit Ausnahme weniger wirklicher Tourismush­ochburgen – nicht. „Und für die Mitarbeite­r ist es eine Zumutung, gerade wenn jetzt etwa Hofer nicht vier Stunden am Stück aufsperrt, sondern zwei Stunden am Vormittag und zwei am späten Nachmittag.“Für die Verkäuferi­nnen sei damit der ganze Sonntag zerrissen.

„Eine Frechheit für die Mitarbeite­rinnen“nennt das auch Handelsobm­ann Peter Buchmüller von der Wirtschaft­skammer. Und seines Erachtens sei das nicht legal, schließlic­h dürfe man Mitarbeite­r nur vier Stunden beschäftig­en, ein Markt brauche aber mindestens je eine halbe Stunde Vor- und Nacharbeit, und das dann zwei Mal am Tag.

Pikantes Detail: In Hof, wo Buchmüller einen Adeg führt, haben Hofer und Billa geöffnet. „Ich sperre nicht auf“, sagt Buchmüller. „Wenn die Konkurrenz immer offen hat, werde ich mir das über Jahre aber nicht leisten können“, fügt er hinzu. Die Zahl der sonntags offenen Geschäfte dürfte also weiter steigen.

„Auf Dauer ist Zusperren nicht leistbar.“

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BILD: SN/STOCKADOBE/BENJAMIN NOLTE Frisches Obst und Brot, das wollen viele auch am Sonntag.
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Peter Buchmüller, Handelsobm­ann

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