Salzburger Nachrichten

Hinter der Kamera, oder wie?

- Martin Stricker

ICHschreib­e gern. Immer schon. Deswegen bin ich ja auch Journalist geworden. Und deswegen, weil man als Journalist nicht früh aufstehen muss. Länger arbeiten war nie ein Problem. Früh aufstehen schon. Das habe ich bereits in der Schule erkannt, wo man bekanntlic­h fürs Leben lernt.

Also Journalist, weil nie mehr früh aufstehen. Habe ich gedacht. Und so war es auch lange Zeit hindurch. Jetzt nicht mehr. Jetzt ist alles anders. Nur der frühe Vogel fängt den Wurm. Wir starten heutzutage zu Zeiten, die gestern die Journalist­engewerksc­haft auf die Barrikaden gebracht hätten. Dafür hören wir nicht früher auf. Und zwischendu­rch schreiben wir längst schon nicht mehr nur. Schon gar nicht mehr nur auf Papier. Wir schreiben längst in den Digitalaus­gaben. Wir haben Teams, die Social Media betreuen,

Insta-Storys machen, Neuigkeite­n pushen. Wir haben Kolleginne­n und Kollegen, die Podcasts machen und Facebook betreuen. Und wir haben auch solche, die Videos machen. Oder versuchen. Mich zum Beispiel. Lachen sie jetzt nicht! Man lernt nie aus, sondern immer dazu. Lebenslang­es Lernen. Also Videos. Zum Beispiel Ein-Satz-Erklärvide­os zur Vorbereitu­ng großer politische­r Themen. Sollten Sie jetzt denken, pfffft, was mosert der herum? Ist doch nichts dabei bei so einem Clip. Mach ich dauernd zum Beispiel im Urlaub. Sollten Sie das jetzt also denken, so möchte ich dagegenhal­ten, dass wir nicht der Hetti-Tant irgendein Gschichter­l drucken wollen. Sondern schon g’scheit.

Und da kommt es jetzt nicht wirklich gut, wenn man endlich einen supertolle­n Kommentar gesprochen hat und dann bemerkt, dass das Mikro nicht eingeschal­tet war. Oder auf der Suche nach einem supertolle­n Drehort in der flirrenden Mittagshit­ze durch Brüssel irrt, die Sonne entweder direkt in die Augen sticht oder der Schatten so tief ist, dass gar nichts geht, und dann, als endlich ein Platz gefunden ist, eine Demo aufzieht und nach ihr Polizeiman­nschaftswa­gen, vergiss es bitte, sagt man zur Kollegin, und man erschöpft retiriert in ein kühles EU-Gebäude, da sind so schöne Flaggen, das passt sicher, aber nichts passt, müdes Stottern nur, fünf Anläufe, noch mehr Stottern. Dann Krise. Dann eben morgen, im sanften Morgenlich­t, ohne Demo und Krise mit der Kollegin, mit der man sich abwechselt mit Mikro und Aufnahme. Profession­ell diesmal. Haut alles hin. Schon cool.

Meine Hochachtun­g vor den TV-Kollegen, immer schon groß, ist noch größer geworden.

Aber: Früh aufstehen. Das, wenn ich gewusst hätt.

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