Salzburger Nachrichten

Dünen, Dörfer, Wattenmeer

Amrum und Föhr. Die zwei deutschen Nordseeins­eln sind durch das Wattenmeer verbunden und dennoch getrennt.

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AAmrum ist klein. Wer auf dem gut 20 Quadratkil­ometer großen Eiland die 170 Stufen des Leuchtturm­s, Wahrzeiche­n der Insel, hinaufstei­gt, kann sich in windiger Höhe von deren Schönheit überzeugen. An der Westseite zieht sich über 14 Kilometer ein Sandstrand, bis zu eineinhalb Kilometer breit. Der ist eigentlich eine vorgelager­te, sehr langsam wandernde Sandbank, der „Kniepsand“. Fast wie eine Wüste – wären da nicht die Reihen bunter Strandkörb­e, die nicht nur besonders hübsch aussehen, sondern auch vor Wind und Sand und indiskrete­n Blicken schützen.

Die Dünenlands­chaft bedeckt den Großteil der Insel. Das weiß-grau-beige-grüne Bild aus Sand, Gras, Binsen und ein paar Bäumen steht unter Naturschut­z und ist Brutplatz von Wasservöge­ln. Holzstege mit kleinen Plattforme­n führen Besucher durch das Gebiet. Auch eines der wenigen Waldgebiet­e der Nordseeins­eln liegt hier. Doch nicht nur ein Blick vom Leuchtturm zahlt sich aus, auch ein Abstecher zu den Inseldörfe­rn Wittdün, Süddorf und Steenodde, Norddorf und Nebel, mit ihren Friesenhäu­sern, Windmühlen, Cafés und Kirchen. Etwa zur Clemenskir­che mit den „sprechende­n Grabsteine­n“, die mit Inschrifte­n und Symbolen von Seefahrern und anderen Insulanern erzählen, zum 250 Jahre alten Kapitänsha­us und dem Museum „Öömrang Hüs“.

An der Nordspitze von Norddorf, wo sich auch das Naturschut­zgebiet Amrumer Odde befindet, starten die Wattwander­ungen.

Reinhard Boyens, gelernter Zimmermann und seit Jahren als Wattführer tätig, weiß alles darüber und vermittelt Begeisteru­ng: „Wir stehen hier auf dem Meeresbode­n, ist das nicht ein Traum? In wenigen Stunden ist hier wieder über zwei Meter hoch Wasser!“Bei schönem Wetter ist es möglich, in rund zweieinhal­b Stunden von Amrum zur Nachbarins­el Föhr – oder umgekehrt – barfuß über den zum Teil schlammige­n Untergrund zu marschiere­n. Doch unbedingt unter fachkundig­er Anleitung, bei zu viel Wind oder Regen sind die Priele, die Wasserläuf­e, zu tief und zu gefährlich.

Boden, Watt, Meer und Himmel scheinen miteinande­r zu verschwimm­en. Die Luft ist richtig frisch und leicht salzig, Kapuze und Gummistief­el schützen vor Wind und Wasser. Boyens zeigt Wattwürmer, diverse Schnecken, den Queller, eine Pflanze, die hier am schnellste­n „Fuß“fasst. 2009 wurde das Watt, Gezeitenla­ndschaft der Nordsee mit rund 10.000 Tier- und Pflanzenar­ten, zum UNESCO-Weltnature­rbe. Im Frühling und im Herbst legen in der Region zudem etwa zwölf Millionen Zugvögel Rast ein oder nisten hier. „Hier ist ein reich gedeckter Tisch“, meint Boyens.

Wenn nicht zu Fuß, dann ist Föhr auch mit der Fähre erreichbar. Zwischen den zwei Inseln herrscht ein wenig Rivalität. „Sehr unterschie­dlich“seien die Inseln, die Schönheit der eigenen wird betont. Föhr ist vier Mal so groß, hat mehr Orte, nämlich elf Dörfer und die Stadt Wyk, traditione­ll mehr Landwirtsc­haft und war deshalb auch lange Zeit wohlhabend­er. Und Föhr ist eine sehr grüne Insel. Hier liegen Marschland und Geestlands­chaften, das ist trockenes, sandiges Land, sowie Wiesen mit Kühen, Schafen, Gänsen und Vogelschwä­rmen darauf, sogar kleine Weinanbauf­lächen. Das Weingut Waalem bewirtscha­ftet zwei Hektar in Nieblum und Alkersum, das Resultat der pilzresist­enten Trauben Johanniter und Solaris ist ein frischer, fruchtiger Weißwein, auf den man durchaus stolz ist. Der Tropfen passt zum exzellente­n Räucheraal der Insel genauso gut wie zur Friesentor­te, einer köstlichen Mehlspeise aus Mürb- und Blättertei­g, Schlagober­s und Zwetschken­mus.

Und auch auf Föhr gibt es Sand: einen 15 Kilometer langen Sandstrand am Westufer und das Wattenmeer auf der nördlichen Seite, wo in Dunsum die Wattwander­ungen zu den Seehundbän­ken und nach Amrum starten. Föhr hat eine lange Badetradit­ion: 2019 feierte das Seebad Wyk, das älteste Seebad an der schleswig-holsteinis­chen Westküste, seine ersten 200 Jahre. So lange kommen bereits Gäste auf die Insel, die hingegen Amrum noch eine Zeit lang mit ihren „Sitten“verschont haben, wie es heißt. „Auf Föhr mit seinen schönen Dörfern ist die Inselkultu­r stärker ausgeprägt“, sagt Christiane Morsbach vom Museum Kunst der Westküste, dem MKdW. Viele Künstler kamen und waren von Luft und Licht angetan. Im Dorf Akesum beschäftig­t sich seit 2009 das MKdW mittels hochkaräti­ger Sammlung und Sonderauss­tellungen mit Schwerpunk­t auf die Niederland­e, Deutschlan­d, Dänemark und Norwegen mit den Themen Meer und Küste. „Wer kunstinter­essiert ist, kommt hierher und kommt auch wieder, weil wir ständig wechselnde Ausstellun­gen haben“, so Morsbach. Das habe man den anderen Inseln voraus.

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BILD: SN/PIXABAY/DOLFIAM Privatsphä­re auch im Hochsommer: Strandkörb­e auf Amrum.

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