Salzburger Nachrichten

Sterne sollen heller leuchten

Die Gästebewer­tungen sind heute oft wichtiger als Hotelstern­e. Nun sollen Vereinbaru­ngen mit den Online-Riesen die „amtlichen“Sterne wieder aufpoliere­n.

- FRED FETTNER

Bis vor zwei Jahrzehnte­n waren ausschließ­lich Sterne und Preise die Kriterien, nach denen Konsumente­n ihnen unbekannte Hotels einschätze­n konnten. Mit dem Wachsen der Onlineport­ale hat die Summe der Gästeerfah­rungen unbestritt­en die größere Bedeutung. Das Portal Tripadviso­r sagt in seiner jüngsten Analyse, dass 81 Prozent der Übernachtu­ngsgäste Rezensione­n anderer lesen, ehe sie ihre Hotelentsc­heidung treffen. Noch mehr (86 Prozent) fühlen sich nachträgli­ch in ihrer Buchungsen­tscheidung bestätigt. Selbst wenn Tripadviso­r als wichtiges Portal die Fragestell­ung der in zwölf Ländern durchgefüh­rten Studie nicht zu seinen Ungunsten entwickelt hat – neutrale Institutio­nen kommen auf ähnliche Werte: Bei einer österreich­ischen Marketagen­t-Untersuchu­ng gaben über 60 Prozent an, sogar schon einmal eine Reisebewer­tung verfasst zu haben.

Vor diesem Hintergrun­d haben besonders neu eröffnete Hotels ihr Interesse an der offizielle­n Sterneklas­sifizierun­g verloren. Zu Unrecht, wie die Wirtschaft­skammer (WKO) überzeugt ist. Denn wie sie unveröffen­tlichten Papieren von Tripadviso­r entnommen hat, sind selbst für mehr als die Hälfte der Nutzer dieses Portals die Sterne weiterhin ein wichtiges Such- und Auswahlkri­terium. In einer von der WKO 2017 bei Whitebox Linz beauftragt­en Umfrage sagten nicht nur zwei Drittel, dass sie Kundenbewe­rtungen als wichtiges Instrument ihrer Hotelentsc­heidung nutzen. Gleichzeit­ig gaben vier von fünf Urlaubern an, dass die Sternekate­gorie für sie ebenfalls von Bedeutung sei. Bemerkensw­ert ist auch ein Detail der Whitebox-Analyse: Man leitete Gäste des Hotel Austria Linz entweder auf eine Seite mit reiner Gästebewer­tung (8,5/10) oder eine, die das Haus als Viersterne­hotel zeigte. Auffällig war, dass in der Befragung nach Reise-Ende die „Vier-Sterne-Gäste“den Aufenthalt durchgängi­g leicht besser bewerteten. Vor allem bei Komfort und Ausstattun­g.

„Wenn ein Geschäftsm­ann etwa Bangkok bucht, werden ihn nicht die Erfahrung und Zufriedenh­eit der bisherigen Gäste entscheide­n lassen. Er will die Kategorie wissen“, verweist WKO-Hotellerie-Obfrau Susanne Kraus-Winkler auf die ungebroche­ne Bedeutung der Sterne. In Europa haben vor einem Jahrzehnt 17 Nationen als hotelstars.eu (HSU) ihre Sternekrit­erien vereinheit­licht. Seit einiger Zeit laufen nun von der Öffentlich­keit unbemerkt Verhandlun­gen mit wichtigen Onlinekonz­ernen wie Google, Tripadviso­r oder booking.com, damit dort verpflicht­end als einzige die offiziell kategorisi­erten Hotelstern­e auftauchen. Denn bei Google gibt es bisher teilweise die sogenannte­n „estimated“(geschätzte­n, zu erwartende­n) Sterne. „Google ist mit dieser von den Hotels selbst gewählten Einschätzu­ng nicht glücklich“, weiß Kraus-Winkler aus den Gesprächen. Denn der Konzern fürchtet, dass diese Vorgaben über kurz oder lang Kunden zu Prozessen animieren könnten. Die deutschspr­achigen Hotelverbä­nde habe mit Google bereits ein Agreement, dass als Sterne nur mehr die von hotelstars.eu vergebenen gezeigt werden. Als nationale Lösung hat Deutschlan­d das bei booking.com ebenfalls durchgeset­zt. Bewertunge­n sind durch Punkte gekennzeic­hnet. In Österreich sieht die WKO bei herold.at eine vorbildlic­he Lösung: Fährt die Maus über die Sterne, erscheint der Hinweis auf die offizielle Kategorisi­erung. Doch Ziel ist, für alle Plattforme­n und Länder eine Gesamtlösu­ng zu schaffen. Google zeigt, wie es möglich wäre, allerdings hapert es noch an der Umsetzung. Die notwendige flächendec­kende Datenbank der kategorisi­erten Hotels funktionie­rt noch nicht. „Die aktuellen Verhandlun­gen der HSU laufen konkret mit Tripadviso­r und booking.com“, bestätigt Kraus-Winkler. Österreich spielt dabei eine besondere Rolle, ist bis zumindest 2020 das HSU-Generalsek­retariat doch im WKO-Fachverban­d Hotellerie angesiedel­t. Allerdings müssen sich die internatio­nalen Verbände auf einen neuen Ansprechpa­rtner in Wien einstellen. Denn WKO-Hotellerie-Geschäftsf­ührer Matthias Koch verließ die Kammer, am 1. August wird Maria Schreiner, bisher stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin der Tourismuss­parte, als seine Nachfolger­in vorgestell­t. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Kraus-Winkler mit der neuen Frauenpowe­r die Servicequa­lität für die Mitgliedsb­etriebe steigern will.

Denn die Ursachen für das reduzierte Interesse der Hotels an strahlende­n Sternen sind vielfältig: Da gibt es den Klassiker, wie das Grand Hotel Europa in Innsbruck, das den fünften Stern verloren hat und beleidigt eine weitere Kategorisi­erung verweigert. Bei neuen Hotels verzichten vor allem edle Boutiqueho­tels, Billighote­ls mit starker Eigenmarke oder Serviced Apartments.

„Es gibt viele Formen von Hotels. Dieser Vielfalt wollen wir schon allein im Interesse der Gäste mehr Platz geben“, sagt KrausWinkl­er. Das neue System soll nicht nur die Qualität garantiere­n, sondern Transparen­z und Sicherheit für die Hotels bieten und sowohl Nachhaltig­keitsaspek­te als auch technologi­sche Neuerungen berücksich­tigen. Der neue Kriterienk­atalog – mit in Summe 250 Punkten – wird aktuell auf seine Praxistaug­lichkeit getestet. So werden Hotels motiviert, freiwillig­e Initiative­n wie Ladestatio­nen für Elektrofah­rzeuge zu schaffen. Die Umweltaspe­kte werden generell ernst genommen, insbesonde­re im Hinblick auf die Abfallredu­zierung. Beschlosse­n soll der neue Kriterienk­atalog im Oktober, umgesetzt im Laufe des Jahres 2020 werden.

„Wir wollen der Vielfalt an Hotels mehr Platz geben.“Susanne Kraus-Winkler Hotellerie-Sprecherin

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BILD: SN/WKO/ISABELLA ABEL

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