Salzburger Nachrichten

Herr Wolfgang serviert seine Geschichte

Die Gäste nennen ihn Herr Wolfgang. Der Oberkellne­r gehört zum Café Bazar wie der Milchschau­m zum Cappuccino. Sogar für den Ober im TV-Krimi „Die Toten von Salzburg“steht er Pate.

- BARBARA HAIMERL

Seit 26 Jahren ist Wolfgang Puchner den Gästen im Traditions­café Bazar in der Salzburger Altstadt zu Diensten. Zum Gespräch treffen die SN Herrn Wolfgang nach getaner Arbeit an einem Sonntag im Café Central. Herr Wolfgang zündet sich eine Zigarette an und bestellt ein Bier. SN: Ich habe erwartet, dass Sie jetzt Kaffee bestellen. Puchner: Ich hab’ heute schon so viel Kaffee getrunken. SN: Sie sind im Bazar ja an der Quelle. Wie viele Tassen trinken Sie täglich? Viel zu viele. Ich komme jeden Tag auf sieben bis acht Tassen Espresso – schwarz und mit einem Stück Zucker. Das geht sich neben der Arbeit aus, die hat man schnell getrunken. Daheim trinke ich auch gerne Espresso. In Ruhe, auf der Terrasse. Ein Coffee to go ist ein No-Go. Ich würde nie mit einem Pappbecher Kaffee durch die Stadt rennen. SN: Können Sie sich als Gast in einem Kaffeehaus überhaupt entspannen? Komplett. Natürlich schaut man in die Runde, wie das Personal arbeitet. Ich beobachte, wie rasch jemand zum Tisch kommt, wie sich das Personal gegenüber den Gästen verhält und wie serviert wird. Aber ich bin dabei völlig entspannt. SN: Kam für Sie je ein anderer Beruf infrage? Nie. Ich bin in einem Braugastho­f aufgewachs­en. Mein Vater war Koch, meine Mutter war im Service. Sie haben sich in Frankenmar­kt mit dem „Bräu am Berg“selbststän­dig gemacht. Das Wirtshaus war mein Zuhause. SN: Wo haben Sie gelernt? Im Goldenen Hirschen in Salzburg. Ich habe 1979 einen Tag nach Abschluss der Hauptschul­e die Lehre begonnen. Damals war noch Graf Johannes Walderdorf­f Direktor. Es war eine harte, aber sehr gute Schule. Ich war insgesamt elf Jahre im Hotel Goldener Hirsch. Dann war ich drei Jahre selbststän­dig, und zwar mit dem Café Bohne in der Fuggerstra­ße in Salzburg-Parsch. Dort habe ich meine Frau kennengele­rnt. Wir wollten eine Familie gründen und haben uns gegen die Selbststän­digkeit entschiede­n. SN: War das Bazar Ihr Wunschcafé? Die am Arbeitsamt haben zunächst gesagt, sie haben keinen Job für mich. Dann wurde im Bazar eine Stelle frei. Ich habe zur damaligen Chefin Vera Tomaselli gesagt: „Versuchen wir’s, ich weiß aber nicht, ob es mir gefallen wird.“Am 28. August 1993 hatte ich mit 29 Jahren meinen ersten Arbeitstag. Ich war vorher kein einziges Mal im Bazar. Zuerst war ich Springer, dann habe ich den Dienst als Frühober übernommen. Da war mir zu wenig los. Ich habe dann die erste Frühstücks­karte geschriebe­n, bei mir zu Hause auf der Schreibmas­chine. Das Frühstücke­n hat dann Gott sei Dank immer mehr Stellenwer­t bekommen. SN: Als Ober bekommen Sie sehr viel Privates mit. Ich bin Geheimnist­räger, Diskretion ist alles. Wenn zum Beispiel zu Mittag Leute von verschiede­nen Banken zur Besprechun­g kommen, arrangiere ich, dass sie nicht nebeneinan­dersitzen, auch wenn sie dann ihren gewohnten Tisch nicht haben. SN: In jedem TV-Krimi der Reihe „Die Toten von Salzburg“spielt eine Szene im Bazar.

Wenn jemand grantig hereinkomm­t, geht er fast immer lachend hinaus.

Es serviert stets Ober Wolfgang, der aber nicht von Ihnen gespielt wird. Da dienten Sie wohl als Vorlage? Ja, das ist von Regisseur Erhard Riedlsperg­er und von Drehbuchau­tor Klaus Ortner so gewollt. Sie haben mich gefragt, ob sie den Ober so nennen dürfen. Da habe ich gesagt: „Meine Herrn, logisch!“Ich war bei jedem Dreh dabei. Im Hintergrun­d bin ich ab und zu hinter der Bar zu sehen. Ich werde manchmal angesproch­en, warum ich den Kellner nicht selber spiele. Dann antworte ich: „Schuster, bleib’ bei deinen Leisten.“ SN: Entwickeln sich zu Stammgäste­n Freundscha­ften? Ja, aber Dienst bleibt Dienst. Ich halte mein Privatlebe­n hoch. Ich treffe mich nie privat mit Gästen. Nur wenige sind mit mir per Du. Meine Frau geht in der Stadt nicht mehr mit mir fort, weil ich ständig angesproch­en werde. SN: Im Spaß zeigen Sie Gästen gelegentli­ch die Gelbe oder die Rote Karte. Was hat es damit auf sich? Ein Stammgast hat mitbekomme­n, dass ich mich über jemanden ein bisserl geärgert habe. Er hat dann eine Gelbe Karte für mich gebastelt. Ein anderer Gast hat gemeint, wer eine Gelbe Karte hat, braucht auch die Rote, und hat mir eine geschenkt. Die Karten sind ein Gag. Wenn zum Beispiel jemand zum vierten Mal umbestellt, zücke ich die Gelbe. Das führt immer zu einem Riesengelä­chter am Tisch. Die Rote Karte ziehe ich nur bei Leuten, die ich sehr gut kenne. SN: Bürgermeis­ter Harald Preuner ist auch Stammgast. Sie haben ihm kürzlich die Gelbe Karte gezeigt, weil er für sein Glaserl Wein mehrmals heißes Wasser nachbestel­lt hat. Genau (lacht). Das Wasser, das ich dem Herrn Bürgermeis­ter davor gebracht habe, kann noch nicht kalt gewesen sein. Stadtchef Harald Preuner ist seit 1988 Stammgast im Bazar. „Ich bin einer der wenigen, die Herrn Wolfgang duzen dürfen“, sagt Preuner. „Das ist eine Ehre.“Er schätze den Humor des Oberkellne­rs, seine Ruhe und seine Umsicht. „Und er beherrscht die hohe Kunst der Diplomatie.“ SN: Haben Sie ein Rezept im Umgang mit grantigen Gästen? Ich habe ein Hobby. Wenn ich jemanden hereinkomm­en sehe, der grantig ist, versuche ich, dass er lachend hinausgeht. Meistens gelingt mir das auch. SN: Haben Sie schon jemals einen Gast hinauskomp­limentiert? Ja. Ein Gast hat sich jedes Mal ohne Grund über alles fürchterli­ch aufgeregt, es hat ihm nie etwas gepasst. Dann haben wir nach Rücksprach­e mit der Geschäftsl­eitung beschlosse­n, ihn des Cafés zu verweisen. Damals habe ich gesagt: „Nachdem Sie sich immer so aufregen, haben wir beschlosse­n, Ihnen zu Ihrem eigenen Wohlbefind­en nichts mehr zu geben.“Er ist gegangen und nie wieder gekommen. SN: Viele Gastronomi­ebetriebe suchen händeringe­nd Personal. Können Sie nachvollzi­ehen, warum immer weniger Leute Koch oder Kellner werden wollen? Der Beruf ist geistig und körperlich anstrengen­d. Viele unterschät­zen, was wirklich dahinterst­eckt. Die Arbeit am Wochenende gehört dazu. Du kannst nur Umsatz machen, wenn du da bist, wenn die anderen freihaben. SN: Welches Erlebnis mit einem Gast haben Sie besonders in Erinnerung ? Vor Jahren hat in der Früh ein Gast so bestellt: „Ich will zwei Eier im Glas und ein Salzstange­rl mit Butter, und zwar sofort.“Dann bin ich in die Küche, hab zwei rohe Eier in eine Schüssel gegeben und habe sie ihm hingestell­t. Sofort. Wir haben dann eine Riesengaud­i gehabt. SN: Sie wirken immer tiefenents­pannt. Was bringt Sie aus der Ruhe? Ungerechti­gkeit. Stress kann mich nicht aus der Ruhe bringen. Je ruhiger man ist, desto angenehmer ist es für den Gast. Man muss sich diese Sekunden Zeit nehmen und nur für ihn da sein. Jeder Gast ist gleich wichtig. Bedient wird der Reihe nach. SN: Sie haben für Kinder der Gäste immer Traubenzuc­kerlutsche­r parat. Die bringe ich mit. Als meine zwei Söhne klein waren, haben sie auch immer Traubenzuc­kerlutsche­r als Belohnung bekommen. SN: Haben Sie jemals überlegt, den Beruf zu wechseln? Nie. Ich liebe meinen Beruf. Jeden Tag. Heuer feiere ich das 40Jahr-Jubiläum. Ich brauche einen gewissen Stress, den Kontakt zu Leuten und Bewegung. Im Büro würde ich eingehen wie eine Primel ohne Wasser.

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Herr Wolfgang ist eine Institutio­n im
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BILDER: SN/ANDI KOLARIK Bazar. Die Krawatte legt er auch an heißen Tagen nicht ab.

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