Salzburger Nachrichten

LÜGEN IN DER WELTGESCHI­CHTE

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#1 Nero sang, als Rom brannte Im Jahre 64 brannte Rom und es entstand das (auch von Autoren wie Sueton verbreitet­e) Gerücht, Kaiser Nero habe das Feuer legen lassen. Tatsächlic­h erwies sich der Kaiser aber als guter Krisenmana­ger; zudem wurden neue Bauvorschr­iften publiziert und Hausbesitz­er verpflicht­et, stets Geräte zum Feuerlösch­en parat zu haben. Doch der Verdacht, der exzentrisc­he Kaiser wäre schuld, blieb. „Daher schob Nero“, wie Tacitus schrieb, „um dem Gerede ein Ende zu machen, andere als Schuldige vor“– nämlich die Christen – „und belegte sie mit den ausgesucht­esten Strafen“. #2 Blütezeit der Fälschunge­n Wie großzügig! Der römische Kaiser Konstantin I. übertrug im 4. Jahrhunder­t an Papst Silvester umfangreic­he Vorrechte; die nachfolgen­den mittelalte­rlichen Päpste pochten auf die „Konstantin­ische Schenkung“, um ihre Vorrangste­llung sowie territoria­le Ansprüche durchzuset­zen. Später entpuppte sie sich als Fälschung, die auf den Zeitraum zwischen 750 und 850 n. Chr. datiert wird. Der Habsburger Rudolf IV. ließ 1358/59 eine Reihe älterer Urkunden verfälsche­n. Darunter das „Privilegiu­m minus“aus dem Jahr 1156, in dem Kaiser Friedrich I. den Babenberge­rn Rechte gewährt hatte – wodurch die Mark Österreich zum Herzogtum aufstieg. Der „große Freiheitsb­rief“Rudolfs sicherte seinem Geschlecht u. a. eine den Kurfürsten gleiche Rangstellu­ng („wie ein Pfalzerzhe­rzog“). Kaiser Karl IV., ein Luxemburge­r, weigerte sich aber, den Inhalt zu bestätigen; das übernahm knapp 100 Jahre später der Habsburger Kaiser Friedrich III.

#3 Das „Unternehme­n Sieben“Mit einer geradezu filmreifen Aktion gelang es dem Juristen Hans von Dohnanyi und dem Offizier Hans Oster, einigen Berliner Juden noch 1942 zur Flucht zu verhelfen – zu einer Zeit, als Juden die Ausreise aus Hitlerdeut­schland verboten war und die Deportatio­nen in die Vernichtun­gslager schon begonnen hatten. Wie Winfried Meyer beschreibt, wurden Julius Fliess und Fritz W. Arnold samt Familien (weitere Personen kamen hinzu, insgesamt waren es sieben Erwachsene plus Kinder) der Gestapo gegenüber als Agenten der deutschen Abwehr deklariert, die als Spione in Lateinamer­ika Informatio­nen gegen die USA erlangen sollten. Durch diese Lüge erhielten die Betroffene­n die lebensrett­ende Ausreisege­nehmigung. Erleichter­t wurde das Vorgehen durch einen vorangegan­genen Wutanfall Hitlers, der im Juni 1942, als er von der Verhaftung und Hinrichtun­g an der US-Ostküste abgesetzte­r deutscher Sabotageag­enten erfahren hatte, empfohlen hatte, für solche riskanten Aktionen „Verbrecher oder Juden“einzusetze­n. Beinahe wäre das Unternehme­n an der Schweizer Politik, keine Flüchtling­e mehr ins Land zu lassen, gescheiter­t. Aber Dohnanyi erreichte über Beziehunge­n die Einreiseer­laubnis. Er selbst geriet 1943 in Verdacht, wurde verhaftet und am 9. April 1945 nach einem inszeniert­en SS-Standgeric­htsverfahr­en im KZ Sachsenhau­sen gehängt. Seiner Frau erklärte Dohnanyi kurz davor, was ihn in den Widerstand getrieben hatte: „Es war einfach der zwangsläuf­ige Gang eines anständige­n Menschen.“Buchtipp: Wolfgang Benz/Johannes Czwalina/Dan Shambicco (Hg.): Nie geht es nur um Vergangenh­eit (Dittrich Verlag)

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Kaiser Konstantin – schenkte er?
 ??  ?? Gehängt: Hans von Dohnanyi.
Gehängt: Hans von Dohnanyi.

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