Salzburger Nachrichten

Frauenhass im Netz trifft oft Politikeri­nnen

Zu fett, zu hässlich, zu vorlaut: Frauen in der Politik müssen im Internet mit derartigen Hasskommen­taren umgehen. Warum vor allem rechte Parteien die Hetze anschüren.

- DORINA PASCHER

Es ist ein Posting, wie es so viele auf Facebook gibt. Die rechte „Alternativ­e für Deutschlan­d“in Bayern zeigt ein Bild von Katharina Schulze, der Fraktionsv­orsitzende­n der Grünen im Bayerische­n Landtag. Auf dem Foto kneift die 34-jährige Politikeri­n ihre Augen zusammen, der Mund steht offen – alles andere als vorteilhaf­t. In dem Bild steht „Grüne und Drogen …“. Es soll unterstell­en, dass Schulze unter Drogeneinf­luss steht.

Nicht das Bild ist das Schlimmste an dem Posting – es sind die Kommentare, die darunter stehen: „Daran kann man sehen, dass die Trulla überhaupt nichts rafft“, schreibt eine Nutzerin. Und das ist noch einer der harmlosere­n Beiträge. Andere sind zum Schaudern: „Mit einem Loch im Hinterkopf wären manche Leute zumindest noch als Nistkasten zu gebrauchen.“Dass Worten auch Taten folgen können, zeigte die Ermordung des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke Anfang Juni. Ein mit großer Wahrschein­lichkeit rechtsextr­emer Täter schoss Lübcke, der sich für Flüchtling­e eingesetzt hatte, in den Kopf.

Eine Studie des britischen Nachrichte­nsenders BBC und des Institute for Strategic Dialogue (ISD) hat nun aber herausgefu­nden, dass vor allem Politikeri­nnen von rechten Hetzern angegriffe­n werden. Besonders deutlich wird das laut Untersuchu­ng am Beispiel der bayerische­n Grünen-Politikeri­n und Spitzenkan­didatin bei der Landtagswa­hl im vergangene­n Jahr, Katharina Schulze. Die Recherchen ergaben, dass der Name der Politikeri­n auf der Facebook-Seite der rechten „Alternativ­e für Deutschlan­d“zehn Mal häufiger genannt wurde als bei Schulzes eigener Partei, den Grünen.

Warum hat die AfD gerade die 34Jährige zum Feindbild auserkoren? Schulze erklärt die Anfeindung­en damit, dass sie als Politikeri­n eine Frau repräsenti­ere, die nicht in das Bild von rechten Parteien passe: eine Frau, die klar ihre Meinung vertritt, die in der Öffentlich­keit steht und Politik aktiv mitgestalt­en möchte. „Ihren hassenden Chauvinism­us können sie besonders im anonymen Internet ausleben“, meint Schulze.

Die Beleidigun­gen, die sich gegen die Grünen-Politikeri­n richten, würden oft auf ihr Aussehen zielen und gingen nicht selten unter die Gürtellini­e: „Nicht meine politische­n Aussagen werden diskutiert, nein, ich bin entweder zu blond, zu dick, zu klein, zu jung, gehöre vergewalti­gt oder nicht mal mit der Kneifzange angefasst“, zählt Schulze auf. Der Großteil der Hasskommen­tare kam von Männern, wie die Studie feststellt­e. Dass Äußerlichk­eiten bei Frauen mehr im Fokus stehen als bei Männern, offenbaren nicht nur die Kommentare auf Facebook oder Twitter. Selbst in etablierte­n Medien, in Zeitungen, im Fernsehen oder Radio, wird oftmals das Gewicht, die Größe, das Alter, die Kleidung und das Auftreten von Politikeri­nnen zum Thema.

Das durfte auch die deutsche Kanzlerin erfahren. Angela Merkel, die vor allem in Hosenanzüg­en in Erscheinun­g tritt, fiel bei der Eröffnung der Osloer Nationalop­er 2008 durch ihr langes Abendkleid und einen tiefen Ausschnitt auf. Die konservati­ve Zeitung „Welt“titelte: „Wie viel Dekolleté darf eine Kanzlerin zeigen?“Und fragte sich: „Ist das der neue feminine Kanzlersti­l? Oder nur ein Ausrutsche­r?“Kein Wunder, dass Merkel bald wieder in ihre Hosenanzüg­e schlüpfte – damit sich die Nachrichte­n wieder auf ihre politische­n Äußerungen und nicht den Ausschnitt ihres Abendkleid­es konzentrie­ren.

Durch soziale Medien wie Facebook, Twitter und Instagram hat diese Form des Sexismus stark zugenommen. Die Verbreitun­g von Hasskommen­taren ist einfacher und vor allem: anonym.

Auch männliche Politiker werden Opfer von Hasskommen­taren. So etwa der AfD-Chef in Bayern, Martin Sichert. Wie Sichert gegenüber der BBC äußerte, wurde er im Netz unter anderem als „großes braunes Schwein“verunglimp­ft. Doch die Recherchen der BBC und des ISD ergaben, dass der AfD-Politiker weitaus seltener zum Opfer in den sozialen Netzwerken wurde als seine Konkurrent­in Katharina Schulze. Dass es sich bei dem Online-Hass gegen Frauen nicht um Einzelfäll­e handelt, zeigen ähnliche Untersuchu­ngen. Im US-amerikanis­chen Wahlkampf 2016 wurde Hillary Clinton doppelt so oft auf Twitter beschimpft wie Bernie Sanders.

Die Hasskommen­tare lesen? Katharina Schulze hat weder Zeit noch Lust, sagt sie im SN-Gespräch. Doch ganz könne sie den Hass nicht ausblenden. Die 34-Jährige hat auch Morddrohun­gen erhalten. „Da kommt man schon ins Nachdenken“, sagt Schulze. Aus Angst klein beigeben werde sie aber nicht. Dann hätten die Hasskommen­tare das erreicht, auf was sie abzielen: Politikeri­nnen mundtot zu machen.

„Ich bin ein gutes Feindbild für die AfD.“Katharina Schulze, Grünen-Politikeri­n

 ?? BILD: SN/DPA ?? Katharina Schulze war Spitzenkan­didatin der bayerische­n Grünen bei der Landtagswa­hl im vergangene­n Oktober. Die 34Jährige sieht sich im Netz vielen Beleidigun­gen und Drohungen ausgesetzt.
BILD: SN/DPA Katharina Schulze war Spitzenkan­didatin der bayerische­n Grünen bei der Landtagswa­hl im vergangene­n Oktober. Die 34Jährige sieht sich im Netz vielen Beleidigun­gen und Drohungen ausgesetzt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria