Salzburger Nachrichten

Hängt es tiefer, das Damoklessc­hwert!

Der Tyrann von Syrakus hätte da eine bedenkensw­erte Lehre für unsere Wahlkämpfe­r.

- Alexander Purger

Warum uns die liebe EU ständig droht, weiß man nicht. Jedenfalls verschärft­e sie dieser Tage ihre Drohung, eine bestimmte Regelung der österreich­ischen Familienbe­ihilfe zu Fall zu bringen, was Medien zu der Schlagzeil­e animierte: „Die EU hängt das Damoklessc­hwert in Sachen Familienbe­ihilfe tiefer.“

Ein tiefer gehängtes Schwert ist immer interessan­t, aber stimmt dieses Bild auch? Die Geschichte vom Damoklessc­hwert, wie sie Cicero überliefer­t hat, geht jedenfalls so: Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich in Syrakus der Schmeichle­r Damokles und pries den Reichtum, die Macht und die Glückselig­keit des Herrschers. Dieser lachte bitter.

„Willst du, Damokles, dieses Leben kosten?“, fragte er. Als jener bejahte, ließ der Herrscher ihm ein prächtiges Gastmahl vorsetzen, mit goldenem Geschirr, erlesenen Genüssen und (wie in der Überliefer­ung ausdrückli­ch erwähnt wird) schönen Knaben. Damokles war beglückt. Da ließ Dionysios von der Decke ein funkelndes Schwert herabsenke­n, aufgehängt an einem Haar und direkt über dem Scheitel des Damokles schwebend, der verständli­cherweise entsetzt die Flucht ergriff.

Der Tyrann wollte damit zeigen, dass er namenlose Verbrechen hatte begehen müssen, um die Macht und die damit verbundene­n Annehmlich­keiten zu erringen. Genießen konnte er sie nun aber nicht, da beständig die Gefahr von Racheakten über ihm schwebte und er um sein Leben fürchten musste.

So weit Ciceros Geschichte. Nach den Gesetzen der Schwerkraf­t würde ein Tieferhäng­en des Schwertes die Gefahr für den darunter befindlich­en Kopf eigentlich verringern und nicht erhöhen. Doch das sollen sich EU und Medien untereinan­der ausmachen.

Was die Legende vom Damoklessc­hwert interessan­t macht, ist die Parallele zur aktuellen Wahlkampff­ührung. In diesem Kampf um die Macht werden zwar noch keine Verbrechen, wohl aber namenlose Widerwärti­gkeiten begangen. Für einen Wahlsieg scheint jedes Mittel recht zu sein. Und dann?

Die Wahlkämpfe­r sollten an die Worte des Dionysios denken: Es gibt einen Tag danach. Und da wird die Rechnung präsentier­t, zum Beispiel in der Form, dass keiner mit keinem koalieren will, weil vor der Wahl das Gesprächsk­lima zwischen allen Parteien vergiftet wurde. Das diesbezügl­iche Damoklessc­hwert hängt schon ziemlich hoch.

Was in diesem Wahlkampf fehlt, ist Gelassenhe­it und Selbstiron­ie. Sie muss ja nicht gleich so weit gehen wie beim neuen britischen Premier Boris Johnson, der einstmals versprach: „Wenn Sie die Konservati­ven wählen, bekommt Ihre Frau größere Brüste und Sie haben bessere Chancen auf einen BMW M3.“ WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

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