Salzburger Nachrichten

Wedeln mit Peter Handke

Ausstellun­g über den Residenz Verlag: Wie das Buch eines ehemaligen SN-Redakteurs die Geschichte der österreich­ischen Nachkriegs­literatur unterstütz­te.

- „Residenz – Frühe Jahre eines Literaturv­erlages“. Literatura­rchiv Salzburg (bis 30. 8.).

„Ein Glücksfall“, sagt Verleger Wolfgang Schaffler. Er hatte sich 1956 mit dem Residenz Verlag selbststän­dig gemacht. 1975 drehte Krista Fleischman­n eine Dokumentat­ion für den ORF über den dann schon renommiert­en Verlag. Da tauchen viele große Namen auf, mit denen Schafflers Verlag Geschichte geschriebe­n hat: Peter Handke als Redner, H. C. Artmann beim Mopedfahre­n. Auch Bücher von Barbara Frischmuth, Alois Brandstett­er, Peter Rosei, Reinhard P. Gruber, Franz Innerhofer und vielen anderen waren erschienen. Der „Glücksfall“, von dem der 1989 verstorben­e Schaffler in dieser Dokumentat­ion spricht, spielt aber nicht auf eine dieser Literaturg­rößen an.

Es geht um einen ehemaligen Skilehrer, einen Bergkenner und Naturliebh­aber – und begeistert­en Schreiber: Clemens Hutter, der Jahrzehnte bei den „Salzburger Nachrichte­n“arbeitete.

1958 kam bei Residenz Hutters Buch „Wedeln. Schilauf in Österreich“heraus. Es war das Jahr, in dem er auch erste Texte für die SN geschriebe­n hatte. Dieses Buch war der „Glücksfall“, von dem Schaffler in der ORF-Doku spricht. In den ersten Verlagsjah­ren war keine Rede von der großen Literatur, mit der Residenz „wie kaum ein anderer Verlag nach 1945 die österreich­ische Literatur der Moderne gefördert und geprägt hat“, sagt Manfred Mittermaye­r, Leiter des Literatura­rchivs Salzburg.

Im Literatura­rchiv liegt seit 2012 das Archiv von Residenz. Gründer Wolfgang Schaffler und Rudolf Bayr, der als Lektor und Berater ab 1961 dabei war, wären beide heuer 100 Jahre alt geworden. Daher werden im Literatura­rchiv die frühen Jahre des Verlags beleuchtet. Werkmanusk­ripte, Notizen, Briefe, Rezensione­n, Videos und Erstausgab­en aus eigenen Beständen werden ergänzt durch Leihgaben aus dem privaten Besitz von Schafflers Witwe Gudrun und dem Archiv der Salzburger Festspiele.

Das Wedel-Buch hatte Anteil an der späteren Entwicklun­g. Es wurde in viele Sprachen übersetzt – etwa ins Japanische – und auch internatio­nal besprochen. Vor allem aber verkaufte es sich – auch weil der Fremdenver­kehr boomte – sehr gut. Das ermöglicht­e eine Profession­alisierung des Verlags, die schließlic­h auch zur Literarisi­erung führen konnte.

1967 wird als Beginn des literarisc­hen Programms im engeren Sinne betrachtet. Neun Titel stehen im Programm – davor waren es einer oder zwei. Es erscheint erstmals ein Werk von H. C. Artmann und ein Band von Peter Handke. Von Andreas Okopenko wird „Die Belege des Michael Cetus“veröffentl­icht, „Ganz schnell war hier die junge Generation vertreten“, sagt Mittermaye­r. Alle bestimmten sie den Fluss der Sprache des Landes maßgeblich. In der Schau lässt sich persönlich­en Beziehunge­n der Akteure ebenso nachspüren wie einer angenehmen Aufregung, ja einer Art Aufbruchss­timmung.

Residenz wurde zur Marke, die hell strahlte. Manche Autoren waren schon bei Verlagen in Deutschlan­d aufgetauch­t. Ihnen dienten Residenz und vor allem Schaffler, „ein verlässlic­her Mann“, wie Handke ihn nannte, als besondere Heimat besonderer Bücher. So erschien hier auch – umjubelt – Handkes „Wunschlose­s Unglück“1972.

Bisweilen diente die feine österreich­ische Adresse auch, um deutschen Verlegern eins auszuwisch­en. Wer wäre dafür besser geeignet als Thomas Bernhard?

Es ist 1975. Hier endet die Schau. Mit dem Eintritt von Jochen Jung als Lektor, später wird er Geschäftsf­ührer, beginnt eine neue Ära. Und es erscheint „Die Ursache“, der erste Teil der autobiogra­fischen Bände von Bernhard. Fünf wird es bis 1982 geben, alle bei Residenz. Dabei hatte Bernhard gegenüber seinem Verleger Siegfried Unseld wegen der „Ursache“von einem einmaligen Fremdgehen gesprochen. In der Schau liegt die schön gebundene Erstausgab­e, daneben Rezensione­n und Briefe, aber kein Manuskript wie bei Handke. Um das rankt sich eines der ungelösten Geheimniss­e des Verlags: Das Originalma­nuskript – wie einiges im ganzen Bernhard-OEuvre – ist nämlich verscholle­n. Ausstellun­g:

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BILD: SN/PRIVATBESI­TZ GUDRUN SCHAFFLER Eines der berühmten Polaroids: Peter Handke mit Gudrun und Wolfgang Schaffler 1974 vor dem Standlhof im Lungau.
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