Wedeln mit Peter Handke
Ausstellung über den Residenz Verlag: Wie das Buch eines ehemaligen SN-Redakteurs die Geschichte der österreichischen Nachkriegsliteratur unterstützte.
„Ein Glücksfall“, sagt Verleger Wolfgang Schaffler. Er hatte sich 1956 mit dem Residenz Verlag selbstständig gemacht. 1975 drehte Krista Fleischmann eine Dokumentation für den ORF über den dann schon renommierten Verlag. Da tauchen viele große Namen auf, mit denen Schafflers Verlag Geschichte geschrieben hat: Peter Handke als Redner, H. C. Artmann beim Mopedfahren. Auch Bücher von Barbara Frischmuth, Alois Brandstetter, Peter Rosei, Reinhard P. Gruber, Franz Innerhofer und vielen anderen waren erschienen. Der „Glücksfall“, von dem der 1989 verstorbene Schaffler in dieser Dokumentation spricht, spielt aber nicht auf eine dieser Literaturgrößen an.
Es geht um einen ehemaligen Skilehrer, einen Bergkenner und Naturliebhaber – und begeisterten Schreiber: Clemens Hutter, der Jahrzehnte bei den „Salzburger Nachrichten“arbeitete.
1958 kam bei Residenz Hutters Buch „Wedeln. Schilauf in Österreich“heraus. Es war das Jahr, in dem er auch erste Texte für die SN geschrieben hatte. Dieses Buch war der „Glücksfall“, von dem Schaffler in der ORF-Doku spricht. In den ersten Verlagsjahren war keine Rede von der großen Literatur, mit der Residenz „wie kaum ein anderer Verlag nach 1945 die österreichische Literatur der Moderne gefördert und geprägt hat“, sagt Manfred Mittermayer, Leiter des Literaturarchivs Salzburg.
Im Literaturarchiv liegt seit 2012 das Archiv von Residenz. Gründer Wolfgang Schaffler und Rudolf Bayr, der als Lektor und Berater ab 1961 dabei war, wären beide heuer 100 Jahre alt geworden. Daher werden im Literaturarchiv die frühen Jahre des Verlags beleuchtet. Werkmanuskripte, Notizen, Briefe, Rezensionen, Videos und Erstausgaben aus eigenen Beständen werden ergänzt durch Leihgaben aus dem privaten Besitz von Schafflers Witwe Gudrun und dem Archiv der Salzburger Festspiele.
Das Wedel-Buch hatte Anteil an der späteren Entwicklung. Es wurde in viele Sprachen übersetzt – etwa ins Japanische – und auch international besprochen. Vor allem aber verkaufte es sich – auch weil der Fremdenverkehr boomte – sehr gut. Das ermöglichte eine Professionalisierung des Verlags, die schließlich auch zur Literarisierung führen konnte.
1967 wird als Beginn des literarischen Programms im engeren Sinne betrachtet. Neun Titel stehen im Programm – davor waren es einer oder zwei. Es erscheint erstmals ein Werk von H. C. Artmann und ein Band von Peter Handke. Von Andreas Okopenko wird „Die Belege des Michael Cetus“veröffentlicht, „Ganz schnell war hier die junge Generation vertreten“, sagt Mittermayer. Alle bestimmten sie den Fluss der Sprache des Landes maßgeblich. In der Schau lässt sich persönlichen Beziehungen der Akteure ebenso nachspüren wie einer angenehmen Aufregung, ja einer Art Aufbruchsstimmung.
Residenz wurde zur Marke, die hell strahlte. Manche Autoren waren schon bei Verlagen in Deutschland aufgetaucht. Ihnen dienten Residenz und vor allem Schaffler, „ein verlässlicher Mann“, wie Handke ihn nannte, als besondere Heimat besonderer Bücher. So erschien hier auch – umjubelt – Handkes „Wunschloses Unglück“1972.
Bisweilen diente die feine österreichische Adresse auch, um deutschen Verlegern eins auszuwischen. Wer wäre dafür besser geeignet als Thomas Bernhard?
Es ist 1975. Hier endet die Schau. Mit dem Eintritt von Jochen Jung als Lektor, später wird er Geschäftsführer, beginnt eine neue Ära. Und es erscheint „Die Ursache“, der erste Teil der autobiografischen Bände von Bernhard. Fünf wird es bis 1982 geben, alle bei Residenz. Dabei hatte Bernhard gegenüber seinem Verleger Siegfried Unseld wegen der „Ursache“von einem einmaligen Fremdgehen gesprochen. In der Schau liegt die schön gebundene Erstausgabe, daneben Rezensionen und Briefe, aber kein Manuskript wie bei Handke. Um das rankt sich eines der ungelösten Geheimnisse des Verlags: Das Originalmanuskript – wie einiges im ganzen Bernhard-OEuvre – ist nämlich verschollen. Ausstellung: