Von der Leyen auf schwieriger Mission
Bei der Frage, wie viele Frauen in der künftigen EU-Kommission sitzen, geht es um weit mehr als die Quote.
Europas Hauptstadt Brüssel macht im August Ferien, und zwar kollektiv. Nur eine Frau hat Arbeit bis über beide Ohren: Ursula von der Leyen. Die neue Präsidentin der EU-Kommission muss über den Sommer ihr Team zusammenstellen. Wie sich im Herbst ihre Kommission präsentiert, wird ein erster Indikator dafür sein, ob sie das Zeug hat zu einer starken und eigenständigen Präsidentin.
Zunächst einmal stellt sich die Frauenfrage: Kann von der Leyen wie versprochen die Hälfte der Jobs mit Frauen besetzen? Die nationalen Regierungen haben ihren Wunsch, jeweils einen Mann und eine Frau zu nennen, damit sie mehr Spielraum hat, bisher einfach ignoriert. Und die meisten jener, die bereits Kandidaten für die Kommission nominiert haben, wollen Männer schicken.
Weiter wie bisher, lautet also das Motto in vielen Hauptstädten. Frauen? Haben wir nicht.
Das ist nicht nur ärgerlich. Das sagt viel aus über die generelle Reformkraft der Betreffenden. Regierungen, die im 21. Jahrhundert schon daran scheitern, zusätzlich zu einem qualifizierten Mann auch eine ebenso qualifizierte Frau zu finden, dürften auch bei weit komplexeren Herausforderungen nicht sehr kreativ und flexibel sein. Und solche stehen zur Genüge an: der Brexit, der nicht endgültig beigelegte Handelskonflikt mit den USA, der Klimawandel, das Machtstreben von Russland und China.
Bei der Frage, wie viele Frauen in der künftigen Kommission sitzen, geht es um weit mehr als die Quote. Es geht schlicht darum, dass gemischte Teams bessere Ergebnisse erzielen, weil sie vielfältigere Blicke auf ein und dasselbe Thema erlauben. Und um die Mischung noch besser zu machen, sollten der Kommission, streng genommen, am besten auch noch jüngere Menschen angehören sowie Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten. „Einheit in Vielfalt“, so lautet das Motto der Europäischen Union. Es wäre glaubwürdiger, würde es auch in ihren Institutionen gelten.
Noch darf von der Leyen hoffen, dass die ausstehenden Staaten Frauen nominieren. Vor allem jene, die immer Geschlechterparität gefordert haben, sind in der Pflicht – zuallererst Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron.
Sollte von der Leyen mit ihrem Halbe-halbe-Versprechen in der Kommission scheitern, ist dies nicht nur eine erste Niederlage für sie, sondern auch ein schlechtes Zeugnis für die Regierungen in den Mitgliedsländern.