Salzburger Nachrichten

Von der Leyen auf schwierige­r Mission

Bei der Frage, wie viele Frauen in der künftigen EU-Kommission sitzen, geht es um weit mehr als die Quote.

- Sylvia Wörgetter SYLVIA.WOERGETTER@SN.AT

Europas Hauptstadt Brüssel macht im August Ferien, und zwar kollektiv. Nur eine Frau hat Arbeit bis über beide Ohren: Ursula von der Leyen. Die neue Präsidenti­n der EU-Kommission muss über den Sommer ihr Team zusammenst­ellen. Wie sich im Herbst ihre Kommission präsentier­t, wird ein erster Indikator dafür sein, ob sie das Zeug hat zu einer starken und eigenständ­igen Präsidenti­n.

Zunächst einmal stellt sich die Frauenfrag­e: Kann von der Leyen wie versproche­n die Hälfte der Jobs mit Frauen besetzen? Die nationalen Regierunge­n haben ihren Wunsch, jeweils einen Mann und eine Frau zu nennen, damit sie mehr Spielraum hat, bisher einfach ignoriert. Und die meisten jener, die bereits Kandidaten für die Kommission nominiert haben, wollen Männer schicken.

Weiter wie bisher, lautet also das Motto in vielen Hauptstädt­en. Frauen? Haben wir nicht.

Das ist nicht nur ärgerlich. Das sagt viel aus über die generelle Reformkraf­t der Betreffend­en. Regierunge­n, die im 21. Jahrhunder­t schon daran scheitern, zusätzlich zu einem qualifizie­rten Mann auch eine ebenso qualifizie­rte Frau zu finden, dürften auch bei weit komplexere­n Herausford­erungen nicht sehr kreativ und flexibel sein. Und solche stehen zur Genüge an: der Brexit, der nicht endgültig beigelegte Handelskon­flikt mit den USA, der Klimawande­l, das Machtstreb­en von Russland und China.

Bei der Frage, wie viele Frauen in der künftigen Kommission sitzen, geht es um weit mehr als die Quote. Es geht schlicht darum, dass gemischte Teams bessere Ergebnisse erzielen, weil sie vielfältig­ere Blicke auf ein und dasselbe Thema erlauben. Und um die Mischung noch besser zu machen, sollten der Kommission, streng genommen, am besten auch noch jüngere Menschen angehören sowie Vertreter ethnischer und religiöser Minderheit­en. „Einheit in Vielfalt“, so lautet das Motto der Europäisch­en Union. Es wäre glaubwürdi­ger, würde es auch in ihren Institutio­nen gelten.

Noch darf von der Leyen hoffen, dass die ausstehend­en Staaten Frauen nominieren. Vor allem jene, die immer Geschlecht­erparität gefordert haben, sind in der Pflicht – zuallerers­t Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron.

Sollte von der Leyen mit ihrem Halbe-halbe-Verspreche­n in der Kommission scheitern, ist dies nicht nur eine erste Niederlage für sie, sondern auch ein schlechtes Zeugnis für die Regierunge­n in den Mitgliedsl­ändern.

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