Sag mir, wo die Frauen sind
Ursula von der Leyen ist auf schwieriger Mission durch die Hauptstädte Europas. Sie braucht dreizehn Frauen für ihr Team, hat aber erst acht. Und dann drängen auch die Grünen in die Kommission.
Ein strikt privat gehaltener Besuch bei den Salzburger Festspielen wird sich ausgehen. Ansonsten aber dürfte Ursula von der Leyen, die nächste EU-Kommissionspräsidentin, diesen Sommer wenig Freizeit haben. Sie pendelt zwischen Europas Hauptstädten und Brüssel, um ihr Team zusammenzustellen. Ganz genau wird beobachtet werden, ob sie halten kann, was sie versprochen hat: die Hälfte der Jobs für Frauen.
Davon ist von der Leyen noch weit entfernt. 20 von 28 Staaten haben bis jetzt Nominierungen für die Kommission abgegeben. Unter den Genannten sind nur acht Frauen. Österreichs Übergangsregierung hat Johannes Hahn für ein weiteres Mandat vorgeschlagen. Nach einer konsensfähigen Kandidatin haben die Parteien erst gar nicht gesucht.
Großbritannien will keinen Kommissar mehr entsenden. Geht es nach Boris Johnson, dem BrexitHardliner und Premierminister, wird das Vereinigte Königreich in der Nacht zum 1. November – an diesem Tag beginnt die neue Kommission ihre Arbeit – aus der Union ausscheiden.
Bleiben also sieben EU-Staaten, die noch nominieren müssen. Fünf davon müssten Frauen nennen, damit von der Leyen annähernd auf halbe-halbe in der Kommission kommt.
Als Präsidentin nimmt sie den deutschen Sitz ein. Fix gesetzt ist die bisherige Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Die Liberale war ein Star der Juncker-Kommission, hat sie doch Internetgiganten wie Facebook und Google das Fürchten gelehrt, unter anderem mittels Strafzahlungen. Von der Leyen hat ihr bereits „eine herausragende Position“versprochen, „weil sie einen herausragenden Job gemacht hat“.
Zwei weitere Kandidatinnen sind alte Bekannte: Marija Gabriel, bisher für Digitales in der EU-Kommission zuständig, wurde neuerlich von der konservativ-nationalistischen Regierung Bulgariens für Brüssel nominiert.
Věra Jourová, bisher Justizkommissarin, gehört der populistischen Partei des tschechischen Regierungschefs Andrej Babiš an, der sie am Montag für weitere fünf Jahre aufstellte.
Und dann wollen vier Neue nach Brüssel. Die Estin Kadri Simson war für die regierende Zentrumspartei bis vor Kurzem Wirtschaftsministerin. Jutta Urpilainen war bis 2014 finnische Finanzministerin und Chefin der Sozialdemokraten. Malta will seine EU-Ministerin Helena Dalli in die Kommission schicken, eine Sozialdemokratin. Und Zypern hat die konservative Abgeordnete Stella Kyriakidou namhaft gemacht.
Bis zum 26. August haben die Staaten noch Zeit, Kandidatinnen oder Kandidaten für die Kommission vorzuschlagen. Wobei nicht nur die Geschlechterfrage eine Rolle spielt, sondern auch die Parteizugehörigkeit. Die Grünen – sie sind neben den Liberalen die großen Gewinner der EU-Wahl – wollen erstmals auch in der Kommission vertreten sein. Ihr Fraktionschef Philippe Lamberts im EU-Parlament hatte sogar vier Posten gefordert. Das wird’s aber nicht werden.
Nur Regierungen dürfen Nominierungen für die Kommission auf den Tisch legen. Von den vier Ländern, in denen die Grünen mitregieren, haben Luxemburg und Finnland ihre Kandidaten bereits genannt – eine Frau und ein Mann der Sozialdemokratie. Bleiben noch Schweden und Litauen, die den Grünen zu einem Sitz in der Kommission verhelfen könnten. Gute Chancen hat offenbar der litauische Wirtschaftsminister Virginijus Sinkevičius – wieder ein Mann. Von der Leyen hat angekündigt, die Mitgliedsstaaten zu Neu-Nominierungen aufzufordern, sollten sie nicht genug Frauen stellen.
Wie immer ihr Team am Ende des Sommers aussehen wird, es muss noch vom EU-Parlament bestätigt werden. Alle Kommissionskandidatinnen und -kandidaten müssen sich Anfang Oktober einem Hearing in den entsprechenden Ausschüssen stellen. Es ist keine ausgemachte Sache, dass das alle unbeschadet überstehen.
So musste Jean-Claude Juncker vor fünf Jahren die slowenische Anwärterin für die Energiekommissarin austauschen und dem Ungarn Tibor Navracsics die ursprünglich zugedachten Agenden für Bürgerrechtsfragen entziehen. Erst dann erhielt seine Kommission die Zustimmung der Parlamentarier.
„Eine herausragende Rolle für Vestager“