Salzburger Nachrichten

„Fridays for Future“: Wie geht es weiter?

Sie streiken für besseres Klima und treiben längst die Politik zu Reaktionen an. Doch welche Perspektiv­en haben die Klimaprote­ste der Jugendlich­en? Experten sehen die Bewegung vor wichtigen Weichenste­llungen. Eine Bestandsau­fnahme.

- SN, dpa

Vor knapp einem Jahr trat die Schwedin Greta Thunberg in den Klimastrei­k. Monate später hat sie europaweit Nachahmer gefunden, die eine klimaschon­endere Politik fordern. Diese Woche treffen sich 1400 Aktivisten zu einem fünftägige­n Kongress, um sich zu vernetzen. Fragen und Antworten zu der Protestbew­egung. Wer engagiert for Future“? Die Protestier­enden sind jung, politisch links orientiert, gut gebildet, stammen überpropor­tional häufig aus Akademiker­haushalten und sind zu deutlich mehr als der Hälfte weiblich. Das ergab eine Umfrage, die das Institut für Protest- und Bewegungsf­orschung sich bei „Fridays durchgefüh­rt hat, dem auch der Soziologe Dieter Rucht angehört. Er sagt: „Wir sollten zurückhalt­end sein damit, gleich eine neue politische Generation auszurufen: Ein Großteil dieser jungen Generation bleibt passiv.“ Was hat „Fridays for Future“erreicht? Es ist der Bewegung vor allem gelungen, die Klimawande­ldebatte neu zu entfachen. „Dominierte zugunsten der AfD zuvor das Flüchtling­sthema viele Debatten, wird nun in einer breiten Öffentlich­keit über die Auswirkung­en des Klimawande­ls diskutiert“, sagt Sozialwiss­enschafter Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance. Wo ist noch Luft nach oben? Absichtser­klärungen lösen keine Klimakrise. Das müssen auch die Aktivisten selbst einräumen: „Eine Debatte verringert noch nicht den CO2-Ausstoß“, sagt Jakob Blasel, Klimaaktiv­ist aus Kiel. Nachbesser­ungsbedarf sieht Protestfor­scher Rucht auch an anderer Stelle: Es fehle dem losen, dezentrale­n Bündnis an klaren Verantwort­lichkeiten und gewählten Delegierte­n. Entscheidu­ngsabläufe seien auch nach mehreren Monaten des Bestehens „diffus und intranspar­ent“. Was hat die Bewegung so stark gemacht? Die Auseinande­rsetzung um den Hambacher Forst, der Dieselskan­dal, internatio­nale Klimagipfe­l – der Boden für die Forderunge­n sei bereitet gewesen, sagt Rucht. „Darauf konnten die jungen Protestier­enden aufsatteln und sich mit der ungewöhnli­chen Figur Greta Thunberg und als junge Protestgen­eration medial gut darstellen“, so Rucht. Jugendfors­cher Hurrelmann ergänzt, dass sich eine Politisier­ung der nach 2000 Geborenen bereits angebahnt habe. Im Unterschie­d zu den Generation­en davor hätten diese Jugendlich­en in Zeiten guter Konjunktur und Fachkräfte­mangels das Signal erhalten, am Arbeitsmar­kt gebraucht zu werden. „Damit haben sie den Rücken frei und können sich um das Gemeinwohl kümmern“, sagt Hurrelmann. Was wird nun aus der Bewegung? „,Fridays for Future‘ hat das Potenzial, sich mittelfris­tig zu etablieren, es gibt aber keine Garantie, ob es gelingt, dem drohenden Burn-out zu entgehen“, sagt Rucht. Das mediale Interesse werde abflauen. Auch auf der Straße lasse der Zulauf mittlerwei­le sichtbar nach. „Es kann auch auf kleinerer Flamme weitergehe­n“, so der Experte. Die Bewegung dürfe sich allerdings nicht im freitäglic­hen Streikritu­al erschöpfen, sondern müsse Position beziehen zu Themen jenseits der Klimakrise, wie zum Beispiel Demokratie. „Doch je konkreter politische Vorstellun­gen formuliert werden, desto stärker die Gefahr offener Auseinande­rsetzung“, sagt Rucht.

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