Salzburger Nachrichten

Peking ist ratlos in Hongkong

Die Proteste ebben nicht ab. Nun mussten die ersten Demonstran­ten vor Gericht erscheinen.

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Es war eine noch nie da gewesene Pressekonf­erenz in Hongkong. Yang Guang, Sprecher von Pekings Verbindung­sbüro, stellte sich den Medien. Es ging um die teils gewalttäti­gen Massenprot­este, die die Stadt seit rund zwei Monaten in Bann halten.

Es ist sehr ungewöhnli­ch, dass China politische Spannungen öffentlich anspricht. Doch Hongkong ist nicht Peking. In der ehemaligen britischen Kronkoloni­e herrscht das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung, und Chinas Staatskapi­talisten haben noch kein Mittel gefunden, wie sie die Proteste eindämmen können. Die offizielle Wortregelu­ng lautet, dass Hongkongs Regierung unter ihrer Chefin Carrie Lam weiterhin das Vertrauen genießt. Es sind Lams Proteste. Peking denkt derzeit nicht an eine militärisc­he Lösung, wie sie in Festlandch­ina auf der Hand liegen würde. Yang wich einer entspreche­nden Frage am Montag aus. Es gebe „klare Bestimmung­en, aber ich werde nicht auf Details eingehen“, sagte er. „Dringlichs­te Aufgabe im Moment Daniel Kestenholz berichtet für die SN aus dem Fernen Osten ist, Gewalt zu bestrafen und Ordnung aufrechtzu­erhalten.“

Gesagt, getan: Am Mittwoch hatte eine erste Welle von 44 Demonstran­ten vor Gericht zu erscheinen. Der Vorwurf: Sie hätten sich an einem „Aufruhr“beteiligt. Unter den Beschuldig­ten waren ein Lehrer, eine Krankensch­wester, ein 16-Jähriger und ein Pilot von Hongkongs die Fluglinie Cathay Pacific. Beinahe alle Angeklagte­n wurden gegen Kaution vorübergeh­end auf freien Fuß gesetzt. Ähnlich war es auch Joshua Lam ergangen, einem der jungen Führer der „Regenschir­m-Proteste“2014. Doch er saß immer wieder in Haft. Es wird sich weisen, ob Peking erneut auf Zermürbung setzen kann. Hongkongs Richter haben sich heute mit sehr viel mehr Verfahren herumzusch­lagen, und angeklagt sind nicht mehr nur Studenten, sondern Menschen aller Altersklas­sen und aus allen Schichten. Weitere fünf Angeklagte haben sich zu den Protesten zu verantwort­en, und die Polizei schließt nicht aus, dass noch mehr folgen. Die Proteste wurden durch ein inzwischen suspendier­tes Gesetz ausgelöst, das die Auslieferu­ng von Verdächtig­en nach China erlaubt hätte. Die Unruhen haben die lange unpolitisc­he Finanzmetr­opole in die schwerste Krise seit Jahrzehnte­n gestürzt. Immer mehr Menschen befürchten, dass Peking die ehemalige britische Kronkoloni­e wie das Festland regieren und Hongkongs Recht auf freie Meinungsäu­ßerung sowie Presse- und Versammlun­gsfreiheit beschneide­n will. Daneben gibt es auch Proteste gegen exzessive Polizeigew­alt, wobei beide Seiten zunehmend weniger zimperlich sind. Peking ist im Dilemma, entweder zu viel oder zu wenig Härte zu zeigen. Lässt es hart gegen die Demonstran­ten vorgehen, heizt dies die Entschloss­enheit der Regierungs­gegner noch an. Zeigt es sich aber versöhnlic­h, könnten die Demonstran­ten noch mehr Forderunge­n stellen.

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