Zwölfjährige gibt ein Debüt mit Leichtigkeit
Die russische Pianistin Alexandra Dovgan hat einen großen Mentor: Grigory Sokolov bat die junge Musikerin in Salzburg vor den Vorhang.
SALZBURG. Da war es also, das angesagte russische Wunderkind: Alexandra Dovgan, ohne großen Aufwand fürnehm aus dem Hintergrund vorgestellt von Grigory Sokolov, dem spät entdeckten Pianisten, der regelmäßig nicht nur bei den Salzburger Festspielen auftritt.
Und wenn er vorangeht, um eine junge Künstlerin zu präsentieren, ist was an ihr dran, denkt man sich. Und recht hat man, denn die zwölfjährige Pianistin kann sich hören lassen, hat Fantasie und lässt jeden Komponisten zu seinem Recht kommen. Unglaublich, was dieses Mädchen, das in seinem weißen Kostüm auftritt wie ein in den Sommer geratenes Christkind, alles kann. Technisch hat es vieles drauf. Aber das ist ja heute keine Frage mehr. Viele gut ausgebildete Musiker stehen in den Startlöchern: Geiger, Cellisten und natürlich Pianisten. Einer besser als der andere.
Alexandra Dovgan ist zudem auch längst keine Unbekannte mehr. So tritt sie etwa in Russland zusammen mit Valery Gergiev auf. Ist sie ein Wunderkind? Blüht ihr ein Wunderkind-Dasein? Was ist der Preis für ihre – wie es scheint – sich anbahnende Karriere? Die Konkurrenz ist hart, wenn nicht schlimmer.
Was kann Grigory Sokolov dazu gebracht haben, sich so zu exponieren, wie er es tut? Ihm vertraut man ja. Seinem Urteil gegenüber hat man ein positives Vorurteil. Wenn er Alexandra Dovgan über den grünen Klee lobt, ist man bereit, ihm zu glauben, dass hier etwas im Entstehen ist, was sich zu hören lohnt.
Gleich am Anfang des Konzerts am Mittwochnachmittag ist man frappiert von der Leichtigkeit – um nicht zu sagen: der Grazie –, mit der sie Beethoven von Scarlatti abhebt. Auch die Bach-Bearbeitung durch Rachmaninow nimmt man mit Zustimmung zur Kenntnis. Da wird das Wesentliche, das den einen Komponisten vom anderen abhebt, zum Erscheinen gebracht. Aber beantwortet das wirklich die alte Schönberg’sche Frage, ob Kunst von „Können“oder von „Müssen“kommt?
Das kann ein Konzert wie das im Großen Saal des Mozarteums nicht wirklich beantworten, nicht mit einer wunderbar gespielten chromatisch perlenden Etüde von Moritz Moszkowski, nicht mit Chopin. Am ehesten hörte man einen ganz eigenen Ton bei Claude Debussys „Children’s Corner“. Da war mit Sicherheit mehr im Spiel als nur „Können“.
Ob aber ein solches Konzert ausreicht, um ein Bild von jemandem und seinen Entwicklungsmöglichkeiten zu vermitteln, muss allerdings bezweifelt werden. Es waren daher auch vom Publikum her eher die Kiebitze als die Konzertspezialisten anwesend.