Salzburger Nachrichten

Wolf ohne Kopf gefunden: Vieles deutet auf Wilderei hin

Mehrere Schafsriss­e in der Nähe des Fundorts in Tirol. Experten gehen von illegaler Bejagung aus. Was Problemwöl­fe betrifft, bleiben dennoch viele Fragen offen – vor allem in Salzburg.

- ANDREAS TRÖSCHER

Im Sellrain in Tirol machten Schwammerl­sucher eine nicht alltäglich­e Entdeckung: Sie fanden den stark verwesten Kadaver eines 32 Kilogramm schweren Raubtiers. Der Kopf: abgetrennt. Am Mittwoch berief man deswegen im Innsbrucke­r Landhaus eine Pressekonf­erenz ein. Es handle sich „mit hoher Wahrschein­lichkeit“um einen Wolf, ließen die Vertreter der Landesregi­erung verlauten.

Also ausgerechn­et um jene Tiergattun­g, die seit Jahren wieder vermehrt in Österreich in Erscheinun­g tritt, immer wieder Schafe reißt und längst für hochemotio­nale Debatten zwischen Jägern und Landwirten auf der einen sowie Naturschüt­zern auf der anderen Seite sorgt. In der Mitte stehen die Schafbauer­n, die es entweder mit Herdenschu­tz versuchen (Zäune, Hirten, Hunde), hoffen, dass nichts passiert, oder verbittert aufgeben.

Nun steht erstmals der Verdacht im Raum, dass ein Wolf – EU-weit streng geschützt – einer illegalen Bejagung zum Opfer gefallen ist. Sollte es sich um Wilderei handeln, drohen dem Täter im Fall einer Verurteilu­ng bis zu drei Jahre Gefängnis. Erste Untersuchu­ngen des Kadavers durch die Agentur für Ernährungs­sicherheit (AGES) ergaben: Das Tier wurde von einer Kugel im Bauch getroffen. Todesursac­he dürfte diese Verletzung allerdings nicht gewesen sein.

Offen über Wilderei sprechen heimische Wolfsexper­ten. Etwa der Biologe und Verhaltens­forscher Kurt Kotrschal, Mitbegründ­er des Wolf Science Center mit Sitz in Ernstbrunn (Niederöste­rreich). „Es ist davon auszugehen, dass illegale Abschüsse stattfinde­n. Sonst gäbe es in Österreich eine ganz andere Population­sentwicklu­ng.“Dass das Tier nicht vergraben, sondern ohne Kopf einfach liegen gelassen wurde, deutet Kotrschal als „Statement“: „In Spanien hängt man geschossen­e Wölfe an Straßenkre­uzungen auf, mit oder ohne Kopf.“

Max Rossberg, Vorsitzend­er der European Wilderness Society Austria in Tamsweg, schlägt in dieselbe Kerbe: „Es gibt Schätzunge­n, dass mehr als die Hälfte aller Wölfe, die nach Österreich wandern, illegal geschossen werden.“In diesem Zusammenha­ng wird immer wieder der Salzburger Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) genannt. Dieser hatte im Vorjahr öffentlich von einer Unterhaltu­ng mit einem Pinzgauer Bauern erzählt. Dieser habe ihm die „4S-Lösung“für den Wolf verraten: „Sehen, schießen, schaufeln, schweigen.“Biologe Kotrschal: „Es gibt in Österreich ganz hartnäckig­e Traditione­n, sich gegen das Raubzeug zu wehren. Es werden ja auch massenhaft Greifvögel vergiftet und abgeschoss­en.“

Etwas zurückhalt­ender argumentie­rt Klaus Hackländer vom Institut für Wildbiolog­ie und Jagdwirtsc­haft der Universitä­t für Bodenkultu­r: „Illegale Abschüsse sind nicht auszuschli­eßen. Das Risiko einzugehen, ein geschützte­s Tier zu töten, ist jedoch empfindlic­h hoch.“Hackländer verweist darauf, dass „nie irgendwo Kadaver gefunden werden“. Es gebe „keine Indizien, nur Mutmaßunge­n“.

Anders stellt sich die Situation aktuell in Salzburg dar. Dort brachten Almbauern kürzlich bei der Bezirkshau­ptmannscha­ft St. Johann im Pongau den Antrag auf Entnahme (Abschuss) oder Vergrämung eines Wolfes ein. Dieser dürfte für 24 tote, vier verletzte und zehn vermisste Schafe auf der Tofernalm bei Großarl verantwort­lich zeichnen. Bis zur Erstellung eines Bescheids werde es aber noch dauern, sagt Bezirkshau­ptmann Harald Wimmer.

Doch was geschieht, sollte die Genehmigun­g zum Abschuss erteilt werden? Die Antwort ist einfach: nicht viel. „Es ist sehr schwierig, den Wolf aufzuspüre­n“, sagt der Salzburger Wolfsbeauf­tragte Hubert Stock. „Es kann sein, dass er längst über alle Berge ist.“Eine gezielte Bejagung sei nahezu unmöglich. Man müsse auf eine „Zufallsbeg­egnung“hoffen. Zudem beschränke sich eine mögliche Entnahmeer­laubnis auf die Bezirksgre­nzen. Stock: „Der Bescheid wäre hinfällig, wenn der Wolf sie überschrei­tet.“

Auch Agrarlande­srat Josef Schwaiger (ÖVP) glaubt, dass eine Entnahme „nicht so einfach wäre“. Dennoch will er Gewissheit: „Wenn wir einen positiven Bescheid haben, dürfen wir rechtlich einen entnehmen – sonst reden wir in fünf Jahren immer noch drüber.“Es geht also darum, einen Präzedenzf­all zu schaffen. Der Abschuss ist zweitrangi­g. „So etwas ist ja selbst für Jäger nicht einfach. Aber wir müssen konsequent bleiben. Ich will das jetzt wissen.“

„Ganz hartnäckig­e Traditione­n.“Kurt Kotrschal, Verhaltens­forscher

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BILD: SN/APA/AFP/DPA/JULIAN STRATENSCH­ULTE In Tirol wurde „mit großer Wahrschein­lichkeit“ein Wolf von einem Wilderer getötet.
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