Wolf ohne Kopf gefunden: Vieles deutet auf Wilderei hin
Mehrere Schafsrisse in der Nähe des Fundorts in Tirol. Experten gehen von illegaler Bejagung aus. Was Problemwölfe betrifft, bleiben dennoch viele Fragen offen – vor allem in Salzburg.
Im Sellrain in Tirol machten Schwammerlsucher eine nicht alltägliche Entdeckung: Sie fanden den stark verwesten Kadaver eines 32 Kilogramm schweren Raubtiers. Der Kopf: abgetrennt. Am Mittwoch berief man deswegen im Innsbrucker Landhaus eine Pressekonferenz ein. Es handle sich „mit hoher Wahrscheinlichkeit“um einen Wolf, ließen die Vertreter der Landesregierung verlauten.
Also ausgerechnet um jene Tiergattung, die seit Jahren wieder vermehrt in Österreich in Erscheinung tritt, immer wieder Schafe reißt und längst für hochemotionale Debatten zwischen Jägern und Landwirten auf der einen sowie Naturschützern auf der anderen Seite sorgt. In der Mitte stehen die Schafbauern, die es entweder mit Herdenschutz versuchen (Zäune, Hirten, Hunde), hoffen, dass nichts passiert, oder verbittert aufgeben.
Nun steht erstmals der Verdacht im Raum, dass ein Wolf – EU-weit streng geschützt – einer illegalen Bejagung zum Opfer gefallen ist. Sollte es sich um Wilderei handeln, drohen dem Täter im Fall einer Verurteilung bis zu drei Jahre Gefängnis. Erste Untersuchungen des Kadavers durch die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) ergaben: Das Tier wurde von einer Kugel im Bauch getroffen. Todesursache dürfte diese Verletzung allerdings nicht gewesen sein.
Offen über Wilderei sprechen heimische Wolfsexperten. Etwa der Biologe und Verhaltensforscher Kurt Kotrschal, Mitbegründer des Wolf Science Center mit Sitz in Ernstbrunn (Niederösterreich). „Es ist davon auszugehen, dass illegale Abschüsse stattfinden. Sonst gäbe es in Österreich eine ganz andere Populationsentwicklung.“Dass das Tier nicht vergraben, sondern ohne Kopf einfach liegen gelassen wurde, deutet Kotrschal als „Statement“: „In Spanien hängt man geschossene Wölfe an Straßenkreuzungen auf, mit oder ohne Kopf.“
Max Rossberg, Vorsitzender der European Wilderness Society Austria in Tamsweg, schlägt in dieselbe Kerbe: „Es gibt Schätzungen, dass mehr als die Hälfte aller Wölfe, die nach Österreich wandern, illegal geschossen werden.“In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) genannt. Dieser hatte im Vorjahr öffentlich von einer Unterhaltung mit einem Pinzgauer Bauern erzählt. Dieser habe ihm die „4S-Lösung“für den Wolf verraten: „Sehen, schießen, schaufeln, schweigen.“Biologe Kotrschal: „Es gibt in Österreich ganz hartnäckige Traditionen, sich gegen das Raubzeug zu wehren. Es werden ja auch massenhaft Greifvögel vergiftet und abgeschossen.“
Etwas zurückhaltender argumentiert Klaus Hackländer vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur: „Illegale Abschüsse sind nicht auszuschließen. Das Risiko einzugehen, ein geschütztes Tier zu töten, ist jedoch empfindlich hoch.“Hackländer verweist darauf, dass „nie irgendwo Kadaver gefunden werden“. Es gebe „keine Indizien, nur Mutmaßungen“.
Anders stellt sich die Situation aktuell in Salzburg dar. Dort brachten Almbauern kürzlich bei der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau den Antrag auf Entnahme (Abschuss) oder Vergrämung eines Wolfes ein. Dieser dürfte für 24 tote, vier verletzte und zehn vermisste Schafe auf der Tofernalm bei Großarl verantwortlich zeichnen. Bis zur Erstellung eines Bescheids werde es aber noch dauern, sagt Bezirkshauptmann Harald Wimmer.
Doch was geschieht, sollte die Genehmigung zum Abschuss erteilt werden? Die Antwort ist einfach: nicht viel. „Es ist sehr schwierig, den Wolf aufzuspüren“, sagt der Salzburger Wolfsbeauftragte Hubert Stock. „Es kann sein, dass er längst über alle Berge ist.“Eine gezielte Bejagung sei nahezu unmöglich. Man müsse auf eine „Zufallsbegegnung“hoffen. Zudem beschränke sich eine mögliche Entnahmeerlaubnis auf die Bezirksgrenzen. Stock: „Der Bescheid wäre hinfällig, wenn der Wolf sie überschreitet.“
Auch Agrarlandesrat Josef Schwaiger (ÖVP) glaubt, dass eine Entnahme „nicht so einfach wäre“. Dennoch will er Gewissheit: „Wenn wir einen positiven Bescheid haben, dürfen wir rechtlich einen entnehmen – sonst reden wir in fünf Jahren immer noch drüber.“Es geht also darum, einen Präzedenzfall zu schaffen. Der Abschuss ist zweitrangig. „So etwas ist ja selbst für Jäger nicht einfach. Aber wir müssen konsequent bleiben. Ich will das jetzt wissen.“
„Ganz hartnäckige Traditionen.“Kurt Kotrschal, Verhaltensforscher