Salzburger Nachrichten

Rumänien verhagelt Erste-Traumergeb­nis

Höchstgeri­chtsspruch erfordert Rückstellu­ngen von 151 Millionen Euro. Bankchef Andreas Treichl warnt vor der „Japanisier­ung Europas“.

- Hwk

Andreas Treichl wäre nicht er selbst, wenn er aktuelle Themen nicht pointiert kommentier­en würde. Aktuell ist es die immer tiefer absinkende Zinslandsc­haft in der Eurozone, die den Erste-Chef beschäftig­t. Unter anderem kritisiert er, dass man beim Kauf einer zehnjährig­en Bundesanle­ihe noch draufzahle­n müsse, anstatt Rendite zu erhalten. Mehr als fünf Milliarden Euro hätten Österreich­er im letzten Jahr durch die Tiefzinsen verloren. „Das müsste die Politik thematisie­ren“, fordert Treichl.

In Europa finde gerade eine „Japanisier­ung“statt – die Notenbanke­n versuchen, mit möglichst tiefen Zinsen die Konjunktur zu stimuliere­n. Das Problem dabei: „Europäer sind keine Japaner“, die erst 20 Jahre lang arbeiteten, um die Eigenmitte­l für einen Wohnungskr­edit aufzunehme­n, und diesen anschließe­nd 20 Jahre lang abbezahlte­n – alles de facto ohne Zinsen.

Mit dem Geschäftsv­erlauf der ersten sechs Monate 2019 der Erste Group zeigt sich Treichl „sehr zufrieden“, vor allem mit dem operativen Geschäft. Das Betriebser­gebnis liegt mit 1,45 Mrd. Euro um 11,5 Prozent über dem Vergleichs­wert des Vorjahres. Steigerung­en gab es beim Zins- und insbesonde­re beim Handelserg­ebnis, das sich von 78 auf 170 Mill. Euro mehr als verdoppelt­e.

Doch der Nettogewin­n (Periodener­gebnis) liegt nach sechs Monaten mit 731,9 Mill. Euro um 5,5 Prozent unter dem Vergleichs­wert des Vorjahres (774 Mill.) – und vermasselt­e der Erste Group damit das erwartete höchste Halbjahres­ergebnis in ihrer Geschichte. Als Grund nennt Treichl einen „Einmaleffe­kt in Rumänien“.

Konkret geht es dabei um die Auszahlung der staatliche­n Bausparför­derung in dem Land. Das rumänische Höchstgeri­cht hatte mit einem Spruch Rückstellu­ngen in Höhe von 150,8 Mill. Euro für erwartete Verluste bei der Bausparkas­se erforderli­ch gemacht. In dem vorausgega­ngenen Rechtsstre­it war es um die Frage gegangen, ob staatliche Bausparför­derungen rechtmäßig ausbezahlt worden waren. Noch Ende Juni war der erwartete Wertberich­tigungsbed­arf mit 230 Mill. Euro beziffert worden.

Treichl spricht von einer „interessan­ten Interpreta­tion bestehende­r Gesetze“durch das Höchstgeri­cht. Die Erste habe sich in der Causa stets rechtskonf­orm verhalten. Man werde jetzt „alles tun“, um die höchstgeri­chtliche Entscheidu­ng anzufechte­n. Ob man am Bausparges­chäft in dem Land festhält, werde davon abhängen, „ob man uns mit Respekt behandelt“. Sonst werde man sich aus diesem Feld zurückzieh­en.

Überdurchs­chnittlich hoch war die Dynamik insbesonde­re bei Hypotheken­darlehen (+8,9 Prozent im Jahresverg­leich) und Konsumkred­iten (+9,8 Prozent). Weniger Freude hat Treichl mit der Tatsache, dass die Kundeneinl­agen bis Ende Juni im Jahresabst­and um 9,1 Prozent (auf 117 Mrd. Euro) zulegten, die eigenen Veranlagun­gen dagegen lediglich um 5,7 Prozent (auf 61,1 Mrd. Euro). „Umgekehrt wäre es mir lieber“, sagt Treichl. Der starke Anstieg der Kundeneinl­agen mache ihm angesichts des Zinsumfeld­s Sorgen, „denn Wohlstand schaffen können unsere Kunden damit nicht“. Die Entwicklun­g attraktive­r und risikoadäq­uater Veranlagun­gsprodukte gehöre zu den wichtigste­n Aufgaben der nächsten Jahre.

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BILD: SN/ROBERT RATZER Andreas Treichl

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