Verdächtiger galt als zuverlässig
Jener Mann aus Eritrea, der einen Achtjährigen getötet haben soll, war seit Monaten in psychiatrischer Behandlung.
Nach dem gewaltsamen Tod eines achtjährigen Buben im Hauptbahnhof von Frankfurt kamen am Dienstagabend Hunderte Menschen zu einer ökumenischen Andacht auf den Bahnhofsvorplatz. Dabei gedachten die Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche sowie Oberbürgermeister Peter Feldmann nicht nur des getöteten Achtjährigen und seiner Familie. Sie warnten auch davor, die „unfassbare“und „sinnlose“Tat für rassistische Hetze zu instrumentalisieren.
Das Motiv für die Tat war am Mittwoch weiterhin unklar, allerdings wurden weitere Details zu dem gebürtigen Eritreer bekannt. Er lebte rund 13 Jahre lang in der Schweiz, für die Polizei blieb er mit Ausnahme eines kleinen Verkehrsdelikts völlig unauffällig. Bis es vergangene Woche plötzlich zu einem Ausbruch häuslicher Gewalt kam. Wie nun bekannt wurde, soll der 40-Jährige nicht nur seine Nachbarin mit einem Messer bedroht haben, sondern diese, seine Ehefrau sowie die drei gemeinsamen Kinder (1, 3 und 4 Jahre) in der Wohnung eingeschlossen haben. Danach flüchtete er. Die Schweizer Polizei schrieb ihn national zur Fahndung aus. Von den psychischen Problemen des 40-Jährigen war da noch nichts bekannt.
Der Mann ist Mitglied der christlich-orthodoxen Glaubensgemeinschaft, er galt als zuverlässig und fleißig. „Er zeichnete sich durch einen starken Durchhaltewillen und eine super Arbeitsmoral aus“, sagte Laetitia Hardegger vom Schweizer Arbeiterhilfswerk dem „TagesAnzeiger“. Im Jahresbericht von 2017 wurde der Geflüchtete als positives Beispiel für die Arbeit des Hilfswerks präsentiert. Der 40-Jährige selbst machte in der Broschüre deutlich, dass er gern in der Schweiz lebe. „Mir gefällt, dass hier jeder Hilfe bekommt, egal ob er arm oder reich ist. Und jeder kann essen, und die Existenz ist gesichert. Und die Schulbildung finde ich auch sehr gut. Hier ist die Erste Welt.“
2006 ist er in die Schweiz gekommen, zwei Jahre später wurde sein Asylantrag bewilligt, 2011 erhielt er eine Niederlassungsbewilligung. Zuletzt lebte er mit seiner Familie am Zürichsee – bis vergangenen Donnerstag ohne besondere Auffälligkeiten. Den Gewaltausbruch daheim bezeichneten seine Frau und die Nachbarin als überraschend. „Sie sagten übereinstimmend aus, dass sie ihn noch nie so erlebt hätten“, sagte ein Polizeisprecher. Nach Angaben der Schweizer Polizei war der Eritreer heuer in psychiatrischer Behandlung, seit Jänner war er wegen psychischer Probleme krankgeschrieben. Hinweise auf eine Radikalisierung oder ideologische Motive des Täters fanden die Ermittler nicht. Nach der Tat in Frankfurt droht dem 40-Jährigen lebenslange Haft – die psychischen Probleme werden die Frage aufwerfen, ob er zur Tatzeit schuldfähig war.
Dabei hatte der Eritreer in der Hilfswerk-Broschüre noch von einer schönen Zukunft geträumt: „Privat wünsche ich mir, dass meine drei Kinder ein besseres und leichteres Leben haben als ich.“