Von Arsen, Selen bis Kobalt: Was alles in Pilzen steckt
Die Spurensuche von Grazer Chemikern brachte Erstaunliches zutage. So könnten Eierschwammerl für Veganer wichtig sein.
Die Pilzsaison ist eröffnet. Nicht nur die Liebhaber von Schwammerln begeben sich auf die Jagd. Auch Chemiker der Universität Graz durchstöbern die Wälder nach essbaren Pilzen. Allerdings geht es ihnen dabei weniger um gebratene Steinpilze oder um ein Eierschwammerlgulasch. Sie suchen vielmehr nach Schwermetallen, Giften und Spurenelementen. Das Spannende dabei: Was Pilze tatsächlich aufnehmen, ist von Art zu Art sehr unterschiedlich. Zusammenfassend betonen die Forscher um Walter Gössler und Simone Bräuer von der Arbeitsgruppe Analytische Chemie für Gesundheit und Umwelt jedoch: In Maßen genossen sind heimische Speisepilze unbedenklich.
Ein Schwerpunkt der Arbeit von Gössler und Bräuer liegt auf Arsen. „Unsere Messungen ergaben, dass etliche Spezies den Grenzwert von 0,2 Milligramm anorganischem Arsen pro Kilogramm, den die EU für Reis festgelegt hat, überschreiten“, sagt Gössler. Solange Pilze in den üblichen Mengen verzehrt würden, sei das aber kein Problem.
Bei ausgefallenen Pilzen wie dem Kronenbecherling haben die Forscher allerdings Arsenkonzentrationen bis zu einem Prozent des getrockneten Pilzes gefunden. Deshalb sollte er auch gemieden werden. Was im Regelfall auch passiert. Der Kronenbecherling ist nämlich roh stark giftig. Manche Menschen kochen und essen ihn aber trotzdem, nachdem sie das Kochwasser weggeschüttet haben.
Spannende Ergebnisse liefert die Arbeit der Grazer Chemiker auch, was die beliebtesten Speisepilze betrifft: So reichern Steinpilze besonders stark Selen und Quecksilber an. Eierschwammerl wiederum bevorzugen Kobalt. Selen ist für die Funktion des Immunsystems wichtig. Quecksilber ist ein giftiges Schwermetall. Die Grenzwerte werden beim Steinpilz jedoch nicht überschritten.
Das vermehrt in Eierschwammerln gespeicherte Kobalt könnte nach Angaben Bräuers vor allem für Veganer spannend sein. Kobalt ist nämlich ein Spurenelement und Bestandteil von Vitamin B12. Und genau das fehlt Veganern leicht einmal. „Es wäre super, wenn wir sagen könnten, dass alle Veganer möglichst viel Eierschwammerl essen sollen. Aber dazu müssen wir noch weiter forschen“, sagt Bräuer.
Für die Wissenschaft langweilig sind die Trüffeln, die weder giftig noch gesundheitsfördernd sind, oder auch der Parasol, der bei allen Elementen im Mittel liegt. Ganz anders sind die Messwerte hingegen bei den Hirschtrüffeln, die keinen Nährwert haben, aber von Wildschweinen geliebt werden. Hirschtrüffeln speichern ebenfalls viel Arsen. Eine Hypothese, warum gerade Wildschweine diesen Pilz so lieben, ist: Arsen liegt, wie Bräuer erklärt, dort in einer Form vor, die leicht zu stark riechenden Verbindungen umgewandelt werden kann. Es gelte aber noch zu überprüfen, ob dieser Duft wirklich die Schweine anlockt.
Eine spannende Frage, die die Grazer Chemiker in diesem Zusammenhang auch noch klären wollen: Arsen liegt in etlichen Pilzen in einer Form vor, die man bisher in der Umwelt noch nicht gefunden hat. Ist Arsen für Pilze also vielleicht sogar essenziell wichtig?
Cäsium 137 hält sich nach Tschernobyl nach wie vor in den obersten Schichten der Waldböden. Hier zeigen die regelmäßigen Proben der AGES (Agentur für Ernährungssicherheit) aber, dass es bei Pilzen nur vereinzelt geringe Überschreitungen des Grenzwerts von 600 Becquerel pro Kilogramm gibt.
Zuletzt: Für Bräuer und Gössler ragte bei den Messungen unter anderem der Fliegenpilz heraus. Er ist zwar kein Speisepilz, aber jeder kennt ihn. Das Besondere an ihm ist, dass er bis zu 100 Mal mehr Vanadium bindet als andere Pilze. Auch hier weiß man noch wenig darüber, warum das so ist und welche Funktion dieses Metall im Fliegenpilz hat. Fest steht nur: Giftig ist der Fliegenpilz deshalb nicht. Fliegenpilze sind ohnehin nicht tödlich, sondern haben eher eine berauschende Wirkung. Es kann einem auch schlecht werden. Bei schweren Vergiftungen kommt es zu Muskelzuckungen und selten zu Krampfanfällen und Ohnmacht.
Grundsätzlich weist Simone Bräuer darauf hin, dass sich Spurenelemente und Schwermetalle vor allem in den Röhren und Lamellen unter der Pilzkappe ansammeln. „Um möglichst wenige potenziell schädliche Stoffe zu sich zu nehmen, empfiehlt es sich, nur Stiel und Kappe zu verzehren“, betont Gössler. Eine andere Möglichkeit wäre, nur Kulturpilze zu essen. Sie werden auf spurenelementarmen Substraten gezüchtet.