Karajan und Wieland Wagner
Einem ausführlichen Beitrag der SN verdankt man Kenntnis von einem Brief Wieland Wagners, der im Jahr 1952 angeblich zum Bruch zwischen Karajan und Neu-Bayreuth geführt haben soll. Skepsis ist angebracht, weil die dort zitierte Diktion wenig zu anderen Schriftzeugnissen des Wagner-Enkels passen will. Aber selbst wenn dieser Brief authentisch sein sollte, enthält er nichts sensationell Neues.
Zwischen Wieland Wagner, der angetreten war, für das vielfach belastete Erbe Richard Wagners im Nachkriegs-Bayreuth eine neue Bühnen- und Zeichensprache zu entwickeln, den Musikdramen seines Großvaters überzeitliche Gültigkeit zu schaffen, ohne dem Werk selbst, dem Text, vor allem aber auch der Musik Gewalt anzutun, und den ästhetischen Werk- und Klangvorstellungen Karajans taten sich Welten auf. Die beiden Persönlichkeiten waren zu verschieden, und Karajans Anspruch, bei den Festspielen eine führende Rolle zu übernehmen, stieß wie zuvor ja schon in Salzburg auch in Bayreuth auf wenig Gegenliebe. Davon abgesehen dürfte sich Karajan in Neu-Bayreuth überhaupt nicht sehr wohlgefühlt haben, was manche Anekdote aus dieser kurzen Epoche illustriert. Karajans WagnerAmbitionen als Dirigent und Regisseur, die in Salzburg 15 Jahre später zur Gründung der Osterfestspiele geführt haben, hat Wieland Wagner nicht mehr erlebt. Wer aber verstehen will, wie sehr Karajans Wagner sich von den Vorstellungen Wieland Wagners unterschied, dem sei ein Vergleich der vielfach erhaltenen Tondokumente Neu-Bayreuths, etwa der Aufnahmen unter Hans Knappertsbusch oder Joseph Keilberth, mit Karajans in Berlin und Salzburg entstandenen Wagner-Interpretationen empfohlen. Prof. Gottfried Kraus 8384 Minihof-Liebau