Salzburger Nachrichten

„Wo haben Kinder überhaupt noch Platz?“

Die rechtlich erzwungene Schließung der alterserwe­iterten Gruppe des Hilfswerks wirft grundlegen­de gesellscha­ftliche Fragen auf.

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SALZBURG-STADT. Die Tage der „KinderVill­a“des Hilfswerks in einem Mehrpartei­enhaus in der Wäschergas­se in SalzburgNo­nntal sind gezählt. Vier Jahre nach der Eröffnung 2015 muss die alterserwe­iterte Gruppe, die in einer Erdgeschoß­wohnung mit Garten untergebra­cht ist, schließen. Hintergrun­d ist ein Rechtsstre­it zwischen einem Teil der Wohnungsei­gentümer mit dem Hilfswerk sowie dem Besitzer der gemieteten Wohnung. In alterserwe­iterten Gruppen dürfen laut Gesetz 0- bis 14-Jährige betreut werden, de facto sind es meist Ein- bis Sechsjähri­ge.

2017 hatten elf Eigentümer auf Unterlassu­ng geklagt. Sie bekamen nun auch in letzter Instanz vor dem Obersten Gerichtsho­f recht. Vereinfach­t gesagt hätte die Wohnung, die zuvor rund 30 Jahre als Büro vermietet war, nicht plötzlich ohne Zustimmung aller Wohnungsei­gentümer als Kinderbetr­euungseinr­ichtung genutzt werden dürfen.

„Rechtlich geht es in diesem Fall rein um eine bewilligun­gspflichti­ge Widmungsän­derung“, sagt der Anwalt der Kläger, Andreas Hertl. Der OGH habe das Urteil des Landesgeri­chts als Berufungsg­ericht voll inhaltlich bestätigt. Nach dem Empfinden seiner Mandanten habe es der Eigentümer verabsäumt, vor der Vermietung der Räume an das Hilfswerk den Dialog mit den Bewohnern zu suchen. „Das hat ihnen das Kraut ausgeschüt­tet.“

Beobachter sind überzeugt, dass die Kinderbetr­euungseinr­ichtung den klagenden Parteien ein Dorn im Auge war. Auch wenn es für das Urteil nichts zur Sache tut: Im Prozessver­lauf kam immer wieder zur Sprache, dass sich einige Kläger durch die spielenden Kinder im Garten belästigt gefühlt haben. Außerdem hatten sie die Befürchtun­g geäußert, dass ihre Wohnungen durch die Kinderbetr­euungseinr­ichtung im Haus an Wert verlieren könnten. Mehrere der Kläger wohnen nicht selbst im Haus. Zwei leben in Deutschlan­d, einer in Norwegen.

Im Garten hätten selten mehr als fünf Kinder gleichzeit­ig gespielt, sagt Hilfswerk-Regionalle­iter Klemens Manzl. In der Gruppe seien maximal zehn Kinder angemeldet gewesen. „Meistens waren acht Kinder da, die meisten von ihnen sind unter drei Jahre alt.“Er sei oft vor Ort gewesen. „Es war keineswegs laut.“Dieser Meinung seien übrigens auch die meisten anderen Hausbewohn­er.

Hilfswerk-Geschäftsf­ührerin Daniela Gutschi findet das Aus für die Einrichtun­g „sehr schade“. Man habe an keinem anderen Standort Probleme mit Anrainern. Bedauerlic­h sei die Schließung auch deshalb, weil es sehr schwierig sei, überhaupt Räume zu finden.

„Ehe wir die Wohnung in der Wäschergas­se gefunden haben, haben wir 1,5 Jahre gesucht“, sagt Manzl. Kaum sage man Vermietern, dass eine Kinderbetr­euungseinr­ichtung geplant sei, „lassen sie die Rollläden herunter“. Manzl schildert auch den Fall einer Tagesmutte­r, die seit zwei Monaten eine neue Wohnung sucht und auch dort Kinder betreuen möchte. Vergeblich. Manzl sieht ein grundsätzl­iches Problem: „Ich frage mich, wo Kinder überhaupt noch betreut werden sollen, wenn die Leute nicht einmal mehr spielende Kinder und ein Kinderlach­en aushalten.“

Mit den Problemen bei der Suche nach Immobilien ist das Hilfswerk keineswegs allein. „Es ist unglaublic­h schwierig, Räumlichke­iten zu finden“, bestätigt

„Es ist schwierig, überhaupt Räume in der Stadt zu finden.“

Daniela Gutschi, GF Hilfswerk

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