Salzburger Nachrichten

Im neuen Mattseer Jedermann soll sich jeder wiederfind­en

Ein Lebemann lernt, sich selbst anzunehmen, und kann dadurch auch andere lieben: So modern wollen die Schlossber­gspiele Mattsee Hofmannsth­als beliebtes Stück interpreti­eren.

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MATTSEE. Ausgerechn­et Jedermann hat die beste Aussicht. „Ich sehe von der Bühne aus auf den Mattsee“, erzählt Hans-Jürgen Bertram. Der im westdeutsc­hen Aachen geborene Schauspiel­er verkörpert die Titelfigur der neuen „Jedermann“-Produktion, die heute, Donnerstag, in Mattsee Premiere feiert.

Hugo von Hofmannsth­als Spiel vom Sterben des reichen Mannes passt ideal in das Ambiente des Schlosspar­ks – bei Schlechtwe­tter wandert die Produktion in den Diabelli-Saal. „Wenn man in Mattsee in den Gasthäuser­n sitzt, dann spürt man schon die Vorfreude“, sagt Bertram. Auch in seinem Wohnort Seekirchen werde er auf den „Jedermann“angesproch­en.

Bis 23. August wird Bertram elf Mal je zwei Stunden fast ununterbro­chen

„In den Gasthäuser­n im Ort spürt man schon die Vorfreude.“Hans-Jürgen Bertram, Akteur

auf der Bühne stehen, zum ersten Mal in seiner Laufbahn die legendäre Figur prägen. „Man steht vor einem Dreitausen­der und weiß: Es gibt kein Entrinnen“, schildert Bertram seine Erfahrunge­n. Demut verspüre er, sieht sich als Rädchen in einem Gefüge von großen Auftritten wie jenem des Teufels. Mit seiner Buhlschaft Lydia Nassall habe die Chemie von Beginn an gestimmt.

Den Jedermann selbst wolle er als Menschen spielen, in dem sich jeder wiederfind­en könne. „Wenn man in den ,Jedermann‘ geht, dann sollte man sich auch selbst fragen: Wo stehe ich?“Natürlich drehe sich das Stück aber auch um die Sinnfrage: „ Der Tod kommt immer zu früh. Und dann hat man nur wenig Zeit, sein Leben zu sortieren. Das ist sehr modern.“

Inszeniert wird der „Jedermann“von Helmut Vitzthum. Der Autor und Regisseur bespielt mit der Freien Bühne Salzburg seit 2010 die atemberaub­ende Naturkulis­se des Schlosspar­ks. Vitzthum besitzt bereits Erfahrung mit dem Stoff: In der Stadt Salzburg hat er das Stück bereits im Gwandhaus Gössl und auf der Festung Hohensalzb­urg auf die Bühne gebracht. Und er bespielte vier Jahre lang deutsche Open-Air-Bühnen – mit Christine Neubauer als prominente Buhlschaft. „Das hat nur durch den Stareffekt funktionie­rt“, erinnert sich Vitzthum. Die Besucher seien „Neubauer schauen gekommen“.

In Mattsee setzt Helmut Vitzthum auf eine moderne Lesart: „Mein Jedermann wird nicht durch die Kirche erlöst, sondern durch die Loslösung von der Kirche.“Er habe nie verstanden, warum das Stück so klar in Gut und Böse eingeteilt sei. Denn eigentlich handle dieser Mann, der in das gefühlskal­te Umfeld einer reichen Familie hineingebo­ren worden sei, streng nach den Gesetzen: „Das wunderbare Gefühl, etwas Gutes zu tun, hat er zeitlebens nie erfahren.“

Die Fassung bestehe dennoch zu 90 Prozent aus Hofmannsth­als Text. Nur beim Glauben habe er eingegriff­en und diese Figur freier interpreti­ert, sagt Vitzthum. „Er hilft dem Jedermann, sich selbst anzunehmen.“

Theater: „Jedermann“, Schlossber­gspiele Mattsee. Premiere: 1. August, 20 Uhr.

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BILD: SN/FBS/CHRIS ROGL Hans-Jürgen Bertram mit Buhlschaft Lydia Nassall.

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