Salzburger Nachrichten

Darum wollen alle das Innenresso­rt

Hüter von geheimem Wissen, Herr über die Wahlkampft­hemen Sicherheit und Migration, Liebling des Boulevards, Befehlshab­er über 25.000 Bewaffnete – Innenminis­ter ist einer der politische­n Traumjobs der Republik.

- ALEXANDER PURGER

„Wenn ich in der Früh ins Büro komme, finde ich auf meinem Schreibtis­ch Berichte über sämtliche Schweinere­ien, die in der Nacht davor in ganz Österreich passiert sind.“– Dieser Satz eines ehemaligen Innenminis­ters, gesprochen noch zu seiner Amtszeit, beantworte­t die Frage, warum dieses Ressort politisch immer so umkämpft war und auch jetzt wieder ist: Es bietet schier unendliche­s Wissen über die Vorgänge im Land. Und Wissen ist – gerade in der Politik – Macht.

Gespeist wird dieses Wissen durch die Berichte der Exekutive und durch die Geheimdien­st-Informatio­nen des BVT, des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g. (So weit das BVT seine Informatio­nen mit dem jeweiligen Ressortche­f teilt.)

Der unübertref­fliche Überblick, den der Innenminis­ter über die Ereignisse in der Republik hat, lässt sich direkt nutzen – zum Aufbau von politische­m Druck. Er macht sich aber auch indirekt bezahlt. Da die Boulevardm­edien bei ihrer Chronik-Berichters­tattung auf vertraulic­he Informatio­nen aus der Exekutive angewiesen sind, ist der Innenminis­ter traditione­ll der erklärte Liebling des Zeitungsbo­ulevards. Auch das macht dieses Amt politisch so interessan­t.

Neben der Macht, die ihm sein Wissen verleiht, verfügt der Innenminis­ter klarerweis­e noch über ein zweites eminentes Machtmitte­l: Er ist Herr über die Exekutive, also über 25.000 Mann bewaffnete Truppe. Indirekt ist der Innenminis­ter im Ernstfall auch Herr über das Bundesheer, denn dieses kann (außer zum Selbstschu­tz) im Inneren nur als Assistenz des Innenminis­teriums tätig werden.

Kein Wunder, dass die Kommuniste­n nach Kriegsende 1945 sofort das Innenresso­rt für sich reklamiert­en. Denn der Einsatz bzw. Nichteinsa­tz der Exekutive hätte über den Erfolg eines kommunisti­schen Putschvers­uchs in Österreich entscheide­n können. Noch 1945 gelangte das Innenminis­terium aber in die Hände der SPÖ, wo es mit einer kurzen Unterbrech­ung (während der ÖVP-Alleinregi­erung 1966–1970) bis zum Jahr 2000 verblieb. Die fast ein halbes Jahrhunder­t währende SPÖ-Dominanz machte aus dem Innenminis­terium ein tiefrotes Ressort, dessen versuchte Umfärbung durch die ÖVP ab dem Jahr 2000 enorm viel Staub aufwirbelt­e. Genauso viel Staub wie ab 2017 der Versuch der FPÖ, das nun schwarz eingefärbt­e Ressort in den Griff zu bekommen.

Was machen die Parteien mit dem Innenminis­terium? Erstens haben sie in der Exekutive viele gut dotierte Posten zu besetzen, was politisch immer lohnend ist. Zweitens ist der Innenminis­ter der entscheide­nde Mann für die LangzeitWa­hlkampfthe­men Sicherheit und Migration. Das sichert ihm Schlagzeil­en beinahe nach Wunsch. Und drittens (und mit zweitens eng zusammenhä­ngend) ist er wie kaum ein anderes Regierungs­mitglied in der Lage, die öffentlich­e Meinung zu beeinfluss­en.

Allein durch die bei ihm liegende Entscheidu­ng, bei Straftäter­n die Nationalit­ät zu nennen oder nicht, kann der Innenminis­ter die öffentlich­e Meinung auf- oder abdrehen, wie er will. Auch die Weitergabe von Informatio­nen über den Stand der Migrations­bewegungen liegt im Ermessen des Innenminis­ters. Man kann davon ausgehen, dass der Wahlkampf anders liefe, wenn FPÖ-Mann Herbert Kickl noch Innenminis­ter wäre.

Bei alledem ist der Sessel des Innenminis­ters aber auch ein Schleuders­tuhl, denn für jede Amtshandlu­ng der Exekutive wird er persönlich verantwort­lich gemacht. Das Amt ist aber auch ein Sprungbret­t. Von den Innenminis­tern der vergangene­n Jahre wurden gleich zwei Landeshaup­tleute, einer Nationalra­tspräsiden­t und eine Finanzmini­sterin. Und wer weiß, vielleicht erringt einer von ihnen wieder den Traumjob Innenminis­ter.

 ?? BILD: SN/APA/BMI/ALEXANDER TUMA ?? Am Ziel seiner Wünsche: Herbert Kickl bei der Übernahme des Innenminis­teriums 2017.
BILD: SN/APA/BMI/ALEXANDER TUMA Am Ziel seiner Wünsche: Herbert Kickl bei der Übernahme des Innenminis­teriums 2017.

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