Darum wollen alle das Innenressort
Hüter von geheimem Wissen, Herr über die Wahlkampfthemen Sicherheit und Migration, Liebling des Boulevards, Befehlshaber über 25.000 Bewaffnete – Innenminister ist einer der politischen Traumjobs der Republik.
„Wenn ich in der Früh ins Büro komme, finde ich auf meinem Schreibtisch Berichte über sämtliche Schweinereien, die in der Nacht davor in ganz Österreich passiert sind.“– Dieser Satz eines ehemaligen Innenministers, gesprochen noch zu seiner Amtszeit, beantwortet die Frage, warum dieses Ressort politisch immer so umkämpft war und auch jetzt wieder ist: Es bietet schier unendliches Wissen über die Vorgänge im Land. Und Wissen ist – gerade in der Politik – Macht.
Gespeist wird dieses Wissen durch die Berichte der Exekutive und durch die Geheimdienst-Informationen des BVT, des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. (So weit das BVT seine Informationen mit dem jeweiligen Ressortchef teilt.)
Der unübertreffliche Überblick, den der Innenminister über die Ereignisse in der Republik hat, lässt sich direkt nutzen – zum Aufbau von politischem Druck. Er macht sich aber auch indirekt bezahlt. Da die Boulevardmedien bei ihrer Chronik-Berichterstattung auf vertrauliche Informationen aus der Exekutive angewiesen sind, ist der Innenminister traditionell der erklärte Liebling des Zeitungsboulevards. Auch das macht dieses Amt politisch so interessant.
Neben der Macht, die ihm sein Wissen verleiht, verfügt der Innenminister klarerweise noch über ein zweites eminentes Machtmittel: Er ist Herr über die Exekutive, also über 25.000 Mann bewaffnete Truppe. Indirekt ist der Innenminister im Ernstfall auch Herr über das Bundesheer, denn dieses kann (außer zum Selbstschutz) im Inneren nur als Assistenz des Innenministeriums tätig werden.
Kein Wunder, dass die Kommunisten nach Kriegsende 1945 sofort das Innenressort für sich reklamierten. Denn der Einsatz bzw. Nichteinsatz der Exekutive hätte über den Erfolg eines kommunistischen Putschversuchs in Österreich entscheiden können. Noch 1945 gelangte das Innenministerium aber in die Hände der SPÖ, wo es mit einer kurzen Unterbrechung (während der ÖVP-Alleinregierung 1966–1970) bis zum Jahr 2000 verblieb. Die fast ein halbes Jahrhundert währende SPÖ-Dominanz machte aus dem Innenministerium ein tiefrotes Ressort, dessen versuchte Umfärbung durch die ÖVP ab dem Jahr 2000 enorm viel Staub aufwirbelte. Genauso viel Staub wie ab 2017 der Versuch der FPÖ, das nun schwarz eingefärbte Ressort in den Griff zu bekommen.
Was machen die Parteien mit dem Innenministerium? Erstens haben sie in der Exekutive viele gut dotierte Posten zu besetzen, was politisch immer lohnend ist. Zweitens ist der Innenminister der entscheidende Mann für die LangzeitWahlkampfthemen Sicherheit und Migration. Das sichert ihm Schlagzeilen beinahe nach Wunsch. Und drittens (und mit zweitens eng zusammenhängend) ist er wie kaum ein anderes Regierungsmitglied in der Lage, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Allein durch die bei ihm liegende Entscheidung, bei Straftätern die Nationalität zu nennen oder nicht, kann der Innenminister die öffentliche Meinung auf- oder abdrehen, wie er will. Auch die Weitergabe von Informationen über den Stand der Migrationsbewegungen liegt im Ermessen des Innenministers. Man kann davon ausgehen, dass der Wahlkampf anders liefe, wenn FPÖ-Mann Herbert Kickl noch Innenminister wäre.
Bei alledem ist der Sessel des Innenministers aber auch ein Schleuderstuhl, denn für jede Amtshandlung der Exekutive wird er persönlich verantwortlich gemacht. Das Amt ist aber auch ein Sprungbrett. Von den Innenministern der vergangenen Jahre wurden gleich zwei Landeshauptleute, einer Nationalratspräsident und eine Finanzministerin. Und wer weiß, vielleicht erringt einer von ihnen wieder den Traumjob Innenminister.