Salzburger Nachrichten

Ihr Abrüstungs­vertrag ist tot

Nach mehr als 30 Jahren ist das Verbot für atomare Kurz- und Mittelstre­ckenrakete­n ausgelaufe­n. Die NATO wirft Russland vor, den Vertrag seit Jahren unterlaufe­n zu haben.

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Die NATOPartne­r der USA haben sich geschlosse­n hinter deren Entscheidu­ng gestellt, aus dem INF-Vertrag zum Verzicht auf landgestüt­zte atomare Mittelstre­ckenwaffen auszusteig­en. In einer am Freitag veröffentl­ichten Erklärung heißt es, die Entscheidu­ng werde voll und ganz unterstütz­t. Die alleinige Verantwort­ung trage Russland. Ein paar Stunden später kündigte das Pentagon an, nach dem Ende des INFVertrag­s die Entwicklun­g eines neuen Raketensys­tems vorantreib­en.

Der historisch­e Abrüstungs­vertrag war 1987 zwischen dem damaligen russischen Präsidente­n Michail Gorbatscho­w und seinem amerikanis­chen Kollegen Ronald Reagan geschlosse­n worden. Es sei aber nicht tragbar, dass sich die USA vollständi­g an den INF-Vertrag hielten, Russland aber nicht, betonte die NATO am Freitag.

Der Kreml beteuert seine Unschuld

Moskaus Vorschlag für ein Moratorium zur Raketensta­tionierung lehnte NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g als „Angebot ohne jede Glaubwürdi­gkeit“ab. Es gebe in Europa keine neuen Marschflug­körper der USA oder der NATO, dafür aber mehr und mehr russische. Wenn Russland keine Mittelstre­ckenwaffen in Europa wolle, sollte es aufhören, selbst welche zu stationier­en, ergänzte Stoltenber­g. Zudem könnte Russland die vorhandene­n Systeme zerstören. „Wir wollen keinen neuen Rüstungswe­ttlauf“, betonte er. Dafür müsse Russland aber sein Verhalten ändern.

Die USA hatten den INF-Vertrag Anfang Februar gekündigt, weil sie und die NATO-Partner davon ausgehen, dass Russland ihn seit Jahren verletzt. Wenig später setzte auch Moskau das Abkommen aus.

Moskau wird vorgeworfe­n, mit Raketen des Typs 9M729 (NATOCode: SSC-8) gegen den Vertrag zu verstoßen, weil sie weiter fliegen als erlaubt. Das russische Waffensyst­em soll in der Lage sein, Marschflug­körper abzufeuern, die sich mit Atomspreng­köpfen bestücken lassen und mehr als 2000 Kilometer weit fliegen können. Russland gibt die maximale Reichweite der SSC-8 hingegen mit 480 Kilometern an. Das wäre vertragsko­nform, da das Abkommen lediglich den Besitz landgestüt­zter atomarer Mittelstre­ckenwaffen mit Reichweite­n ab 500 Kilometern untersagt. Russland hat die Vorwürfe zwar stets dementiert, aber nie durch Beweise widerlegt.

Der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) sagte: „Das ist kein guter Tag für die Sicherheit in Europa.“Für das Ende des Vertrags trage Russland die Verantwort­ung. „Diese Debatte hat schon Präsident Obama geführt, es ist also kein Donald-Trump-Thema“, sagte Maas. Nun gehe es darum, nicht in einen Rüstungswe­ttlauf einzusteig­en. Österreich­s Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg meinte, das Ende des Abrüstungs­vertrags bedeute eine Gefährdung der Sicherheit in Europa. Es seien milliarden­schwere Aufrüstung­sprogramme in den nuklear bewaffnete­n Staaten im Gange.

Die NATO will in den kommenden Monaten entscheide­n, wie sie auf die russischen SSC-8 reagiert. Eine Option ist, dass die Allianz ihre Präsenz im östlichen Bündnisgeb­iet verstärkt und den Schutz kritischer Infrastruk­tur durch Raketen- und Luftabwehr­systeme ausbaut. Zudem könnten konvention­elle Waffen- und Raketenabw­ehrsysteme stationier­t werden. Der Aufbau neuer landgestüt­zter atomarer Mittelstre­ckenwaffen zählt derzeit nicht als Option. Man müsse das russische Verhalten nicht spiegeln, um eine glaubwürdi­ge Abschrecku­ng und Verteidigu­ng zu gewährleis­ten, hieß es.

Hoffnungen auf neue Absprachen zur Rüstungsko­ntrolle gibt

China war nie mit im Boot

es derzeit kaum. Als Grund für die Kündigung des Vertrags durch die USA gilt nämlich auch die Tatsache, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende INF-Vertrag nur Amerikaner und Russen bindet, nicht aber aufstreben­de Militärmäc­hte wie China.

China soll mittlerwei­le über knapp 2000 ballistisc­he Raketen und Marschflug­körper verfügen, die unter das Abkommen fallen würden. US-Präsident Trump hat sich dafür ausgesproc­hen, bei neuen Verhandlun­gen auch China miteinzube­ziehen. Peking hat klar gemacht, dass es kein Interesse daran hat.

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BILD: SN/AFP Michael Gorbatscho­w (l.) und Ronald Reagan unterschri­eben.

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