Saudische Frauen erhalten Reisefreiheit
Das konservative Öl-Königreich macht einen nächsten Schritt in das 21. Jahrhundert.
RIAD. Zehn Monate nach der Ermordung des Dissidenten Jamal Khashoggi sorgt Saudi-Arabien wieder für Schlagzeilen, diesmal aber für erfreulichere: Nach Jahrzehnten permanenter Bevormundung durch ihre Männer, Väter oder Brüder dürfen Frauen von nun an selbst über ihre Reisen entscheiden. Die in Riad erscheinende Staatszeitung „Umm al Kura“veröffentlichte am Freitag eine vom Kabinett genehmigte Gesetzesänderung, die es allen Staatsbürgern im Alter von mehr als 21 Jahren gestattet, einen Reisepass zu beantragen und ohne Einschränkungen zu reisen. Das Geschlecht wird nicht ausdrücklich erwähnt.
Auch die Abschaffung der männlichen Vormundschaft bei Reisen wird – vermutlich aus Rücksicht auf die Betroffenen – nicht explizit zum Ausdruck gebracht.
Neben der Erlaubnis, einen Reisepass zu beantragen, erhalten Frauen auch das Recht, eine Hochzeit, Scheidung sowie die Geburt eines Kindes selbst einzutragen. Zudem wurden die Behörden angewiesen, ab sofort auch Frauen offizielle Familiendokumente auszustellen.
Die neuen Gesetze wurden in den sozialen Medien enthusiastisch gefeiert. Einige der Frauen dankten in ihren Kommentaren dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman alias MBS, der sich mit Nachdruck für eine schrittweise Gleichstellung der Frauen in seinem Wüstenkönigreich einsetzt.
Nach Erkenntnissen des UNFlüchtlingskommissariats fliehen jedes Jahr mehr als 800 Frauen aus Saudi-Arabien, weil sie es in ihren erzkonservativen Familien nicht mehr aushalten. Einige der damit verbundenen Dramen konnten auf YouTube, Facebook und Twitter in der ganzen Welt verfolgt werden. Nach einer erfolgreichen Umsetzung des neuen Reiserechts sollten die Hilferufe verzweifelter Frauen langsam aus den Schlagzeilen verschwinden. Trotzdem ist es bis zur Gleichstellung noch ein weiter Weg. Mit der neuen Reisefreiheit wird die Abhängigkeit der Saudi-Frauen von ihren Männern zwar gelockert, bleibt in zentralen Bereichen aber bestehen: So dürfen Frauen gegen den Willen ihrer Familien weiterhin weder heiraten, arbeiten, studieren oder eine eigene Wohnung mieten. Selbst die Entlassung einer SaudiFrau aus dem Gefängnis nach verbüßter Strafe ist ohne die ausdrückliche Zustimmung eines Vormunds nicht möglich.