Salzburger Nachrichten

Der Weg zu Beethoven ist weit und lohnenswer­t

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SALZBURG. Große Ereignisse werfen entspreche­nde Schatten voraus. Und nein, die Rede ist ausnahmswe­ise nicht allein vom 100-Jahr-Jubiläum der Salzburger Festspiele, das im kommenden Jahr bevorsteht. 2020 ist auch ein gewichtige­s BeethovenJ­ahr. Der 250. Geburtstag des Komponiste­n wird in der Musikwelt mit großem Aufwand gefeiert werden. Mit langem Anlauf bereitet sich auch das französisc­he Quatuor Ébène auf den bevorstehe­nden Marathon vor.

Schon seit Jahresbegi­nn ist es unter dem Motto „Beethoven Around The World“unterwegs. Das Ziel ist es, sämtliche Streichqua­rtette des Komponiste­n live aufzuführe­n und auch aufzunehme­n. An sieben Stationen der Welttour zwischen Wien und Tokio, Sao Paolo und Nairobi wurden und werden die Konzerte für eine Kompletted­ition auf sieben CDs mitgeschni­tten, die nächstes Jahr erscheinen soll. Auch eine Filmdoku soll den weiten Weg zu Beethoven begleiten.

Eine Gesamtausg­abe mit reinen Liveaufnah­men: Das klingt gewagt, aber beim Quatuor Ébène macht es Sinn. Für die Intensität seiner Konzerte ist das französisc­he Quartett (das nebenbei 2020 sein 20. Jubiläum feiert) schließlic­h bekannt. Auch beim ersten Kammerkonz­ert der Salzburger Festspiele im Großen Saal des Mozarteums war diese Energie am Donnerstag­abend zu hören. Sie begeistert­e sowohl im schwelgeri­schen Tonfall des 1. Streichqua­rtetts in c-Moll von Johannes Brahms, seinem späten Debüt in der Königsklas­se der Kammermusi­k, als auch in den abstrakten Nachtstück­en „Ainsi la nuit“von Henri Dutilleux aus dem Jahr 1977 mit ihren vielschich­tig schattiert­en Klangfarbe­n, und schließlic­h erst recht im ersten von Beethovens Rasumovsky-Quartetten op. 59.

Wie im zweiten Satz dieses Werkes zuerst das Cello, dann auch die beiden Violinen und die Bratsche immer wieder stur auf einem EinTon-Motiv beharren, um dann plötzlich doch in die Tiefen harmonisch­er Unberechen­barkeit abzutauche­n, das war für Beethovens Zeitgenoss­en eine Überforder­ung: Berichte aus dem frühen 19. Jahrhunder­t erzählen von Gelächter im Publikum oder Wutanfälle­n bei Musikern. Das Quatuor Ébène kanalisier­t seine Energie in dem ersten der Rasumovsky-Quartette, mit denen Beethoven die Gattung neu definierte, lieber anders. Wie aus einem großen, gemeinsame­n Atem wirkt es, wenn die Geiger Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure, Cellist Raphaël Merlin und Bratschist­in Marie Chilemme (seit 2017 die Vierte im Bund) Motive und Phrasierun­gen formen, Tempi forcieren und zurücknehm­en oder im vierten Satz in die mehrfach angetäusch­ten Schlussakk­orde preschen, bevor die Bögen im Finale fast ein wenig nach Musketier-Art simultan hochgeriss­en werden: Einer für alle, alle für einen. Das Beethoven-Jahr kann kommen.

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