Onlinesportler müssen auch fit sein
Leistungssport am Bildschirm: Ein Tennengauer E-Sport-Verein bewegt sich auf Konsole und Tastatur im internationalen Spitzenfeld. Warum zu viel spielen schlecht für die Leistung ist, zeigte sich beim SN-Lokalaugenschein.
Granate ausgewählt. Feind im Visier. Zielen. „Nein, du musst geradeaus werfen!“, bekommt Ikye – so sein Spielername – von seinem Hintermann über die Schulter diktiert. Zu weit rechts. Die Blendgranate geht ins Leere. So sieht es aus, wenn E-Sportler für Wettbewerbe trainieren. Jeder Schuss, Wurf oder Schritt muss genau sitzen: Perfektion erreicht man nur mit Wiederholung. Millisekunden können über Tod oder Leben entscheiden – freilich nur für die Figur am Bildschirm.
E-Sport, elektronischer Sport, ist seit dem Millionengewinn des Österreichers David Wang in New York in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Der Tennengauer ESport-Verein Xtreme Gamer Squad eSports (XGS) ist der einzige in Salzburg. Die jungen Gamer treten weltweit gegeneinander in verschiedenen Ligen und Spielen wie Counter Strike, Battlefield („Schießspiele“) und FIFA (Fußball) an. Beim SN-Lokalaugenschein während des Trainings stehen Terroristen einer Antiterroreinheit gegenüber. Das Ziel ist, die Gegner mit Waffen und strategischem Kalkül zu besiegen. Vereinsobmann Johannes Neuschmid erklärt: „In Österreich spielen wir derzeit in der ersten Liga.“Die Tennengauer Teams messen sich mit Mannschaften aus aller Welt und sind im internationalen Spitzenfeld zu finden. Dabei wurden bereits ansprechende Preisgelder (bis zu 35.000 Euro) abgeräumt. „Unsere Spieler bekommen sogar Geldspenden, wenn sie ihre Spiele live im Internet übertragen“, sagt Neuschmid. Davon leben können in Österreich nur etwa zehn Spieler.
Manuel Haselberger vom eSportVerband Österreich sagt, Sportler und Videospieler seien gar nicht so verschieden: „Gamingprofis müssen viel trainieren: Hand-AugenKoordination, Reaktionsfähigkeit und Strategie. E-Sports hat mit dem Klischee vom im Keller sitzenden Spieler nichts zu tun.“Viel trainiert wird auch im Salzburger E-SportsVerein XGS: Manöver werden auswendig gelernt, Würfe hundert Mal wiederholt. „Man muss das Maximum rausholen. Es geht um Sekundenbruchteile, die das Spiel entscheiden“, sagt Vereinsmitglied Daniel Wurhofer, ein alter Hase, wenn es um Videospiele geht. „Stundenlanges Zocken allein macht aus einem noch keinen Spitzengamer.“
Wichtig sei, dass man sich nicht „überspielt“, ein Ausgleich zum Bildschirm müsse sein, um die Konzentrationsfähigkeit beizubehalten. Darum steht bei den aktiven Gamern von XGS auch Bewegung auf dem Plan. Trainierte Oberkörper, schlanker Bauch – die Burschen scheinen gut in Form zu sein. Es müsse aber nicht immer Sport sein, sagt einer der Spieler. „Manche lesen auch einmal ein Buch.“
Die Gefahr, süchtig zu werden, sei bei E-Sportlern nicht größer als beim klassischen Sportler, beschreibt Philip Sinner, Kommunikationswissenschafter an der Uni Salzburg. „Wenn ich sieben Mal pro Woche laufen gehe, denken die Wenigsten an Sucht. Wenn ich jeden Tag am PC trainiere, erzeugt das in der Gesellschaft ein negatives Bild.“
Vereinsobmann Neuschmid erzählt, dass sich in der Welt der ESports-Wettkämpfe über die Jahre hinweg einiges verändert habe. „Ich kann mich noch an mein erstes Turnier erinnern – die Leute haben so laut geschrien, ich konnte meine eigenen Mitspieler direkt neben mir nicht verstehen. Bei den wirklichen Profiveranstaltungen sitzen die Teams mittlerweile in schalldichten Glaskästen, damit sie in Ruhe kommunizieren können.“Ob bei E-Sports-Turnieren auch versucht werde zu betrügen? Neuschmid nickt zustimmend. Es gebe sogar immer wieder Dopingfälle, bei denen Ritalin für höhere Leistungsfähigkeit genommen werde. Disqualifikation ist die Folge. „So eine Aktion ist unsportlich und zerstört den Teamgeist. In unserem Verein müsste man für dieses Vergehen eine vierstellige Strafe zahlen“, sagt der Obmann.
Training sei zwar wichtig, aber auf den letzten Metern zähle die Ausrüstung. Spieler Wurhofer zieht einen Vergleich: „Ist das Material schlecht, ist das so, als ob Marcel Hirscher die Ski falsch wachselt.“Kopfhörer mit Qualität etwa brauche man, um die Schritte des Feindes zu hören. Für ein ordentliches Equipment geben Profis einiges aus, 4500 Euro für einen Rechner sind keine Seltenheit. Es gehe aber auch stark um die Optik. Die Rechner sind mit einer Plexiglasscheibe verbaut, bunte Lichter und dicke Kabel scheinen durch. „Das hat keinen praktischen Grund, aber man will ja auch zeigen, was man hat“, scherzt Obmann Neuschmid.
Platz zum Zocken hat der Verein ab September genug. Auf 370 Quadratmetern eröffnet in Golling eine neue Gaming-Location. „Das ,GO1‘ wird genutzt, um zu trainieren, aber auch neue Gesichter sind immer willkommen“, sagt Neuschmid.
„Billige Kopfhörer: Als ob Marcel Hirscher die Ski falsch wachselt.“Daniel Wurhofer, XGS-Mitglied