E-Paper sind das Slow Food für den Kopf
Die Neugestaltung eines bewährten digitalen Angebots unterliegt heute vor allem dem Anspruch von „Responsive Webdesign“. In der Theorie sorgt dies für die Anpassung des Erscheinungsbilds auf das jeweils verwendete Endgerät. In der Praxis jedoch diktieren die Nutzungsgewohnheiten am Handy die Veränderungen der Ansichten. Das bedeutet eine weitere Niederlage von Nachrichtenleistung gegen Info-Oberflächlichkeit. Diese Schlappe resultiert aus dem mangelnden Selbstbewusstsein traditioneller Inhaltsmacher im Wettbewerb mit Technologie auf der Überholspur. Dabei bietet ausgerechnet das altmodischste aller Informationsmedien Indizien für eine Sehnsucht des Publikums nach der guten alten Ordnung.
E-Paper erleben einen wahren Boom. Je mehr ein Verlag auf sie setzt, desto weniger geht die Stückzahl seiner Titel zurück. Das beweisen die Daten der österreichischen Auflagenkontrolle ÖAK und soeben auch jene ihres deutschen Pendants ivw: „Die Zeit“und „Der Spiegel“erzielen sogar leichte Gesamtsteigerungen – aber ausschließlich infolge enormer EPaper-Zuwächse.
Das bedeutet keine Entwarnung für das Geschäftsmodell. Doch darin liegt eine Aufforderung an die Blattmacher: Wenn E-Paper deutlicher zulegen als originäre WebAngebote, dann wegen ihrer Informationsleistung. Sie sind übersichtlicher und bieten bessere Orientierung. Sie begrenzen Artikellängen und differenzieren deutlicher zwischen den Textsorten. Sie setzen auf eine klar erkennbare Hierarchie der Wichtigkeit statt das gleichförmige Nebeneinander zum Scrollen.
„Responsive Webdesign“gehorcht den Anforderungen einer tempomaximierenden Technologie. E-Paper hingegen erfüllen den Anspruch auf zugleich ganzheitliche wie kompakte Information. Dieses „Erklär mir die Welt!“wird umso wichtiger, wenn die Technik ausgereizt wirkt. Neben dem geistigen Junk Food der Video-ClipÄra bleiben viele Web-Regale mit Slow Food für den Kopf. Wem es gelingt, diese Trends im digitalen Design zu verknüpfen, der wird Erfolg haben.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.