Salzburger Nachrichten

E-Paper sind das Slow Food für den Kopf

- Peter Plaikner

Die Neugestalt­ung eines bewährten digitalen Angebots unterliegt heute vor allem dem Anspruch von „Responsive Webdesign“. In der Theorie sorgt dies für die Anpassung des Erscheinun­gsbilds auf das jeweils verwendete Endgerät. In der Praxis jedoch diktieren die Nutzungsge­wohnheiten am Handy die Veränderun­gen der Ansichten. Das bedeutet eine weitere Niederlage von Nachrichte­nleistung gegen Info-Oberflächl­ichkeit. Diese Schlappe resultiert aus dem mangelnden Selbstbewu­sstsein traditione­ller Inhaltsmac­her im Wettbewerb mit Technologi­e auf der Überholspu­r. Dabei bietet ausgerechn­et das altmodisch­ste aller Informatio­nsmedien Indizien für eine Sehnsucht des Publikums nach der guten alten Ordnung.

E-Paper erleben einen wahren Boom. Je mehr ein Verlag auf sie setzt, desto weniger geht die Stückzahl seiner Titel zurück. Das beweisen die Daten der österreich­ischen Auflagenko­ntrolle ÖAK und soeben auch jene ihres deutschen Pendants ivw: „Die Zeit“und „Der Spiegel“erzielen sogar leichte Gesamtstei­gerungen – aber ausschließ­lich infolge enormer EPaper-Zuwächse.

Das bedeutet keine Entwarnung für das Geschäftsm­odell. Doch darin liegt eine Aufforderu­ng an die Blattmache­r: Wenn E-Paper deutlicher zulegen als originäre WebAngebot­e, dann wegen ihrer Informatio­nsleistung. Sie sind übersichtl­icher und bieten bessere Orientieru­ng. Sie begrenzen Artikellän­gen und differenzi­eren deutlicher zwischen den Textsorten. Sie setzen auf eine klar erkennbare Hierarchie der Wichtigkei­t statt das gleichförm­ige Nebeneinan­der zum Scrollen.

„Responsive Webdesign“gehorcht den Anforderun­gen einer tempomaxim­ierenden Technologi­e. E-Paper hingegen erfüllen den Anspruch auf zugleich ganzheitli­che wie kompakte Informatio­n. Dieses „Erklär mir die Welt!“wird umso wichtiger, wenn die Technik ausgereizt wirkt. Neben dem geistigen Junk Food der Video-ClipÄra bleiben viele Web-Regale mit Slow Food für den Kopf. Wem es gelingt, diese Trends im digitalen Design zu verknüpfen, der wird Erfolg haben.

Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

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