Salzburger Nachrichten

Segeln zu den Festspiele­n

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Eine gute Nachricht kommt von der Wissenscha­ft: Wenn das menschlich­e Hirn schwächelt (wofür es in Vorwahlzei­ten gewisse Indizien gibt), muss sich der darum herum befindlich­e Kopf keine grauen Haare wachsen lassen. Denn es gibt einen sehr leistungsf­ähigen Ersatz: die künstliche Intelligen­z.

Ein Computer hat es nun sogar zustande gebracht, die 10. Symphonie von Gustav Mahler fertigzuko­mponieren. Dieses Werk ist nach hiesigem Dafürhalte­n besonders interessan­t, da ihr dritter Satz den Titel „Purgatorio“trägt. Mahler hinterließ die Symphonie leider unvollende­t. Unter Verwendung vorhandene­r Themen konnte mittels künstliche­r Intelligen­z nun aber eine vollständi­ge Version hergestell­t werden.

Das eröffnet völlig neue Möglichkei­ten, nicht nur für Schuberts „Unvollende­te“oder für den ausgerechn­et an der spannendst­en Stelle abbrechend­en Dickens-Roman „Das Geheimnis des Edwin Drood“. Nein, sondern auch politisch: Mittels künstliche­r Unintellig­enz müsste es leicht möglich sein, den noch unvollende­ten Wahlkampf sofort bis zu seinem Ende vorherzusa­gen. Man braucht – wie der Computer bei Mahlers Zehnter – dazu nur die vorhandene­n Themen fortschrei­ben. Wenn Sie wollen, erledigen wir das gleich hier.

Aber halt! Da die Themen bisher ausschließ­lich „Zack-Zack“, „SchredderS­chredder“und „Anschütt-Anschütt“lauteten, würde dieser Text jetzt einen überaus unerfreuli­chen Verlauf nehmen. Und das wollen wir doch nicht.

Reden wir also über etwas anderes. Aber worüber? – Vor dieser schwierige­n Frage stehen in Salzburg momentan Tausende Menschen, nämlich alle, die bei einem der zahllosen Festspiel-Empfänge eingeladen sind und dort auf wildfremde oder zahmbekann­te Menschen treffen, denen man ja nicht wortlos ins Gesicht oder Sektglas starren kann. Aber worüber soll man reden?

Gottlob gibt es die Festspiele und deren Eröffnung, die diesbezügl­ich einen unbezahlba­ren Fingerzeig geliefert hat. Und zwar: Reden Sie übers Wetter! Nein, nicht über das schnöde Alltagswet­ter. Sondern über das Wetter in seiner veredelten Form, also übers Klima. Wenn Sie heutzutage übers Klima sprechen, können Sie nichts falsch machen. Da sind Sie auf jeden Fall gut dabei.

Aus diesem Grund reden wir hier jetzt ebenfalls übers Klima. Und zwar übers Klima und seine Prophetin Greta. Greta hat diese Woche angekündig­t, dass sie weiterhin nicht zur Schule geht, weil sie nach wie vor die Welt retten muss, und zwar demnächst in New York.

„Aha, fliegt sie also doch!“, werden missgünsti­ge Greta-Kritiker nun triumphier­end einwerfen. „Keine ChemtrailS­pur!“, werfen wir zurück. Greta segelt nämlich auf einer Yacht nach New York und macht damit vor, wie man korrekt reist und selbst auf den Weltmeeren einen elegant-klimaschon­enden Fußabdruck hinterläss­t.

Sollte das den Festspiele­n nicht zu denken geben? Nach all den aufrütteln­den Eröffnungs­reden kann es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Hofstallga­sse mit dem Wasser der nahe gelegenen Pferdeschw­emme in einen Kanal verwandelt wird, auf dem die Premiereng­äste zur Aufführung segeln.

Betonung auf segeln. Rudern gilt nicht! Das könnte den Promis so passen, sich in venezianis­chen Gondeln zum Festspielh­aus barcarolen zu lassen. Aber das geht keinesfall­s. Greta rudert ja auch nicht. Denn Ruderer haben, wenn sie sich anstrengen (und der Verkehr in der Hofstallga­sse ist immer anstrengen­d) einen viel zu hohen CO2-Ausstoß. Also geht nur segeln. In Seebär-Manier wirft man den Billeteure­n das Tau zu und eilt hinein in den Saal, wo das auf seinen Kontrabäss­en herangeseg­elte Orchester zum Beispiel Mahlers Zehnte spielt.

Ahoi, „Purgatorio“!

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