Segeln zu den Festspielen
Eine gute Nachricht kommt von der Wissenschaft: Wenn das menschliche Hirn schwächelt (wofür es in Vorwahlzeiten gewisse Indizien gibt), muss sich der darum herum befindliche Kopf keine grauen Haare wachsen lassen. Denn es gibt einen sehr leistungsfähigen Ersatz: die künstliche Intelligenz.
Ein Computer hat es nun sogar zustande gebracht, die 10. Symphonie von Gustav Mahler fertigzukomponieren. Dieses Werk ist nach hiesigem Dafürhalten besonders interessant, da ihr dritter Satz den Titel „Purgatorio“trägt. Mahler hinterließ die Symphonie leider unvollendet. Unter Verwendung vorhandener Themen konnte mittels künstlicher Intelligenz nun aber eine vollständige Version hergestellt werden.
Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten, nicht nur für Schuberts „Unvollendete“oder für den ausgerechnet an der spannendsten Stelle abbrechenden Dickens-Roman „Das Geheimnis des Edwin Drood“. Nein, sondern auch politisch: Mittels künstlicher Unintelligenz müsste es leicht möglich sein, den noch unvollendeten Wahlkampf sofort bis zu seinem Ende vorherzusagen. Man braucht – wie der Computer bei Mahlers Zehnter – dazu nur die vorhandenen Themen fortschreiben. Wenn Sie wollen, erledigen wir das gleich hier.
Aber halt! Da die Themen bisher ausschließlich „Zack-Zack“, „SchredderSchredder“und „Anschütt-Anschütt“lauteten, würde dieser Text jetzt einen überaus unerfreulichen Verlauf nehmen. Und das wollen wir doch nicht.
Reden wir also über etwas anderes. Aber worüber? – Vor dieser schwierigen Frage stehen in Salzburg momentan Tausende Menschen, nämlich alle, die bei einem der zahllosen Festspiel-Empfänge eingeladen sind und dort auf wildfremde oder zahmbekannte Menschen treffen, denen man ja nicht wortlos ins Gesicht oder Sektglas starren kann. Aber worüber soll man reden?
Gottlob gibt es die Festspiele und deren Eröffnung, die diesbezüglich einen unbezahlbaren Fingerzeig geliefert hat. Und zwar: Reden Sie übers Wetter! Nein, nicht über das schnöde Alltagswetter. Sondern über das Wetter in seiner veredelten Form, also übers Klima. Wenn Sie heutzutage übers Klima sprechen, können Sie nichts falsch machen. Da sind Sie auf jeden Fall gut dabei.
Aus diesem Grund reden wir hier jetzt ebenfalls übers Klima. Und zwar übers Klima und seine Prophetin Greta. Greta hat diese Woche angekündigt, dass sie weiterhin nicht zur Schule geht, weil sie nach wie vor die Welt retten muss, und zwar demnächst in New York.
„Aha, fliegt sie also doch!“, werden missgünstige Greta-Kritiker nun triumphierend einwerfen. „Keine ChemtrailSpur!“, werfen wir zurück. Greta segelt nämlich auf einer Yacht nach New York und macht damit vor, wie man korrekt reist und selbst auf den Weltmeeren einen elegant-klimaschonenden Fußabdruck hinterlässt.
Sollte das den Festspielen nicht zu denken geben? Nach all den aufrüttelnden Eröffnungsreden kann es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Hofstallgasse mit dem Wasser der nahe gelegenen Pferdeschwemme in einen Kanal verwandelt wird, auf dem die Premierengäste zur Aufführung segeln.
Betonung auf segeln. Rudern gilt nicht! Das könnte den Promis so passen, sich in venezianischen Gondeln zum Festspielhaus barcarolen zu lassen. Aber das geht keinesfalls. Greta rudert ja auch nicht. Denn Ruderer haben, wenn sie sich anstrengen (und der Verkehr in der Hofstallgasse ist immer anstrengend) einen viel zu hohen CO2-Ausstoß. Also geht nur segeln. In Seebär-Manier wirft man den Billeteuren das Tau zu und eilt hinein in den Saal, wo das auf seinen Kontrabässen herangesegelte Orchester zum Beispiel Mahlers Zehnte spielt.
Ahoi, „Purgatorio“!