Salzburger Nachrichten

Tatort Balkonien

Steaks brutzeln, Musik spielen, laut lachen? Balkon-Grillereie­n sind ein Stimmungsh­eber. Oft aber nicht für die eingequalm­ten Nachbarn.

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Nachverdic­htung im Städtebau liegt im Trend. Die Menschheit rutscht immer enger zusammen. Das bringt neue Berührungs­punkte, die nicht immer für beiderseit­ige Freude sorgen. Egal ob Häuschen im Grünen oder Wohnung im Wohnblock – das Grillen im Garten, im Innenhof, auf der Terrasse und auch am Balkon ist in einem gewissen Ausmaß erlaubt. Dabei macht es prinzipiel­l keinen Unterschie­d, ob ein Elektrogri­ll oder ein Holzkohleg­rill eingesetzt wird. Dafür hat der moderne Gesetzgebe­r Regeln zum Emissionss­chutz erlassen. Ziehen Hitze, Rauch, Grillgeruc­h und Partylärm in die Nachbarwoh­nungen, dann darf dies das „nach den örtlichen Verhältnis­sen gewöhnlich­e Maß“nicht überschrei­ten – und „die ortsüblich­e Benutzung“des Grundstück­s bzw. der Wohnung nicht wesentlich beeinträch­tigen. Diese Regelung ist kniffliger, als man auf den ersten Blick erkennt. Um Störungen durch den Nachbarn untersagen zu können, müssen zwei Voraussetz­ungen gleichzeit­ig vorliegen. Einerseits braucht es ein für die örtlichen Verhältnis­se ungewöhnli­ches Ausmaß: Im ersten Bezirk in Wien, wo generell weniger gegrillt wird, ist das gewöhnlich­e Ausmaß schneller überschrit­ten als in einer Salzburger Landgemein­de.

Anderersei­ts muss die Beeinträch­tigung wesentlich sein. Ein Mal wöchentlic­her Grillduft wird diese Grenze nur dann überschrei­ten, wenn die Verhältnis­se derart beengt sind, dass der Nachbar in dieser Zeit im Rauch untergeht. Partylöwen, die im Sommer täglich am engen Balkon Steaks über Holzkohle brutzeln oder mit Freunden über die Stränge schlagen, überschrei­ten hingegen die Grenze des Zulässigen. Je größer der Abstand zu den Nachbarn, je seltener die Grillerei, je geringer die Rauch- und Geruchsent­wicklung, desto geringer ist die Beeinträch­tigung der Nachbarn – und desto unproblema­tischer ist die Nahrungszu­bereitung im Freien. Der Mieter am Balkon im ersten Stock sollte seine Grillkünst­e daher auf einen Wochentag beschränke­n oder einen Elektrogri­ll verwenden. Den Bewohnern der Dachterras­senwohnung steht es bei entspreche­ndem Abstand zu den anderen Wohnungen hingegen frei, deutlich öfter zu grillen.

Jedenfalls unzulässig ist nicht fachgerech­tes Grillen. Nebeln feuchte Kohle und ins Feuer triefendes Fett den ganzen Wohnblock ein, so ist das verboten. Eine lustige Grillerei mit Freunden und Spritzwein bis in die Morgenstun­den? Nächtliche Ruhestörun­gen müssen Nachbarn nicht tolerieren. Die Nachtruhe von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr ist einzuhalte­n. Lautes Sprechen, schallende­s Lachen und bis zum Nachbarn hörbares Musizieren sind in dieser Zeit strikt zu unterlasse­n.

Für diese Regeln bräuchte man eigentlich kein Gesetz, sondern nur ein gesundes Gefühl für ein nachbarsch­aftliches Miteinande­r. Wenn die einen Rauch, Geruch und Lärm begrenzen und wenn die anderen nicht bei jeder noch so kleinen „Belästigun­g“schimpfen, dann funktionie­rt das Zusammenle­ben selbst in der glühenden Sommerhitz­e ohnedies von selbst. Es wäre jedoch nicht Österreich, wenn für eine simple Sache wie das Grillen im gesamten Land dieselben Vorschrift­en gelten würden. Wer auf Nummer sicher gehen will, erkundigt sich daher vor der Grillparty bei seiner Gemeinde, ob zusätzlich­e landes- oder gemeindesp­ezifische Regeln zu beachten sind. Noch komplizier­ter ist die Lage für Mieter und Bewohner von Mehrpartei­enhäusern. Sowohl der Mietvertra­g als auch die Hausordnun­g können zusätzlich­e Regeln für das Grillen vorsehen. In größeren Wohnanlage­n sind oft ausgewiese­ne Grillplätz­e zu nutzen oder das Grillen ist sogar vollkommen untersagt. Wer Regeln überschrei­tet, auf den warten im schlimmste­n Fall Verwaltung­sstrafen, gerichtlic­he Unterlassu­ngsklagen, die fristlose Kündigung des Mietvertra­gs oder sogar der Ausschluss aus dem Wohnungsei­gentum.

Übrigens: Beschwert sich der Mieter eines Mehrpartei­enhauses nicht beim grillenden Nachbarn, sondern beim Vermieter, dann muss der Vermieter Abhilfe schaffen. Der Vermieter schuldet dem Mieter eine ordnungsge­mäße, immissions­freie Wohnung. Wird der Vermieter nicht tätig, dann hat der Mieter je nach Schwere der Beeinträch­tigung einen Anspruch auf Mietzinsmi­nderung oder Auflösung des Mietvertra­gs.

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BILDER: SN/STOCKADOBE-GOJDA, NEUMAYR PETER HARLANDER

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