Salzburger Nachrichten

Unvergesse­ne Ratzi

- O. P. Zier O. P. Zier ist Schriftste­ller in Salzburg.

In den frühen 1990er-Jahren erzählte mir Heinz Schifer aus Schwarzach im Zuge der Recherchen für meinen Roman „Schonzeit“, in dem er vorkommt, auch von der Näherin Rosa Hofmann. Lebenslust­ig und witzig sei die Ratzi gewesen, die er von den Jugendlage­rn der verbotenen Kommuniste­n am Böndlsee gut gekannt hatte und die ihres NS-Widerstand­s wegen mit erst 23 Jahren vom Mord- und Raubregime Hitlers enthauptet wurde. Und deren Leiche, wie man heute weiß, zusammen mit 182 anderen ermordeten Frauen vom NS-Arzt Hermann Stieve widerlich geschändet worden war!

Der damals 17-jährige Heinz, in Linz in der Eisenbahn-Lehrwerkst­ätte in Ausbildung, hatte wie Ratzi Flugblätte­r gegen den Nazi-Irrsinn verteilt, war gleichfall­s abgeurteil­t worden und saß in der Todeszelle. Heinz’ Eltern erwirkten beim Gauleiter Scheel 1944 wegen des jugendlich­en Alters ihres Sohnes die Umwandlung in eine Haftstrafe. Eine nicht von Humanität, sondern von Berechnung geleitete Handlung: Bei Kriegsende schickte Scheel unverzügli­ch seine Frau zum Ehepaar Schifer, um sich seine Mithilfe bei der Lebensrett­ung des Burschen schriftlic­h bestätigen zu lassen! Zum Gedenken an Rosa Hofmanns heurigen 100. Geburtstag, und stellvertr­etend für alle Widerstand­skämpfer, besuchten meine Frau und ich in Berlin die gerade in Renovierun­g befindlich­e NS-Hinrichtun­gsstätte in Plötzensee, wo Ratzi, diese bewunderns­wert mutige Österreich-Patriotin, am 9. März 1943 so schändlich ermordet worden war. Im letzten, um Trost bemühten Brief an Mutter und Geschwiste­r bekundet die 23-Jährige, müde geworden zu sein, „denn die Jugend ist vorbei, wenn man das erlebt, was ich erlebt habe. Ich komme mir vor wie eine alte Frau und würde nie mehr genauso glücklich sein können …“

Wir besuchten auch die hervorrage­nde Ausstellun­g über den glühenden Hitler-Verehrer, abstoßende­n Antisemite­n und Parteigeno­ssen Emil Nolde, der sich vergeblich den Nazis andiente. Auch wenn er sich in den Sujets seiner Bilder anpasste – für wesentlich­e Teile der NS-Kunstbanau­sen blieb er „entartet“. Die künstleris­che Qualität vieler seiner Werke rettete Nolde den Nachkriegs­status – zusammen mit der Verheimlic­hung seines Verhaltens den braunen Machthaber­n gegenüber, das auch Siegfried Lenz entging, der nur den Spuren der Verklärer folgte, als er ihm mit dem Roman „Deutschstu­nde“endgültig Bahn brach.

Auf einer der Textsäulen wird Hitler von seinem ersten Lieblingsa­rchitekten Troost zitiert: „Nolde, das Schwein! … Wir haben heut die Macht und das Geld und sie bekommen nicht einen Auftrag von mir.“

Und schon, zack, zack, zack, hatte ich gegen meinen Willen wieder das Ibiza-Video samt seiner leider immer noch quickleben­digen Machtbeses­senheit im Ohr: Haselstein­er kriegt keine Aufträge mehr …

Nebst allerlei anderem legt dieses Video nahe: Bei den Aussagen mancher Politiker ist für die Öffentlich­keit vor allem das wichtig, was diese Herrschaft­en gerade als nicht für die Öffentlich­keit bestimmt von sich geben! Darin nämlich werden die hohlen Heimat-Phrasen, mit denen auf Stimmenfan­g gegangen wird, schnell von aberwitzig korrupten Überlegung­en – Verkauf des österreich­ischen Trinkwasse­rs! – abgelöst.

Deshalb: Ein Hoch auf Menschen wie Rosa Hofmann, die im Kampf gegen ein Verbrecher­regime für wirklichen Österreich­Patriotism­us ihr Leben lassen mussten!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria