Das S-Wort
ICHhabe keinen Stress mehr. Und das schon seit dem 1. Jänner 2018. Da habe ich das S-Wort nämlich aus meinem Wortschatz gestrichen. Als Neujahrsvorsatz quasi. Normalerweise verdränge ich solche Vorsätze sehr erfolgreich und sehr schnell, aber diesen habe ich tatsächlich verinnerlicht. Jedes Mal, wenn ich versucht bin, das S-Wort in den Mund zu nehmen, beiße ich mir auf die Zunge. Das Erschreckende daran ist die Erkenntnis, wie oft wir im Alltag von Stress reden. Auf nahezu jedes „Wie geht’s dir?“folgt ein „Gut, danke, aber stressig ist’s halt“. Jedes Telefonat beginnt mit „Bist du gerade im Stress, stör’ ich dich?“und endet mit einem ritualisierten „Stress dich nicht“.
Dazu kommt der ganze Stress in den Medien. Experten übertrumpfen sich mit Tipps gegen Stress, in den Buchhandlungen stapeln sich die Antistressratgeber und nahezu jeder äußere Einfluss,
sei es das Wetter, die Arbeit oder die Ernährung, scheint Stress in irgendeiner Art und Weise auszulösen.
Mittlerweile wird gar nicht mehr versucht, die Entstehung von Stress zu verhindern, weil sowieso davon ausgegangen wird, dass jeder Stress hat. Stattdessen muss der Stress bekämpft werden, so der einschlägige Tenor. Am besten mit Dingen, die viel Zeit und Geld kosten, was wiederum Stress auslöst. Mit Stress lässt sich eben gut Geld machen.
All das Gerede über Stress stresst mich irrsinnig. Allein, dass ich in diesem Text schon 16 Mal das S-Wort geschrieben habe, macht mich nervös.
Ich habe nämlich eine Theorie entwickelt: Je mehr wir vom Stress reden, desto mehr Stress haben wir. Ja, ich glaube sogar, dass wir erst dann Stress haben, wenn wir darüber sprechen, dass wir Stress haben. Davor haben wir nur viel zu tun. Was wir mit der Situation anfangen, wie wir sie bewerten und verarbeiten, hängt erstmal von uns selbst ab. Wenn ich mir also vorsage, dass ich gestresst bin, weil ich viel zu tun habe, brauche ich mich nicht wundern, wenn ich ... Sie wissen schon.
Natürlich gibt es trotzdem Situationen, in denen mir alles zu viel wird. In denen ich versucht bin, den guten Vorsatz über den Haufen zu werfen und lauthals in die Welt zu schreien: „Ich kann nicht mehr! Ich habe zu viel STR***!!!“
Für solche Momente habe ich mir einen Trick zurechtgelegt. Anstatt von Stress zu sprechen, sage ich: „Tut mir leid, ich bin in Eile.“Ich weiß schon – ich schummle ein bisschen. Aber probieren Sie es aus, es hilft wirklich. Selbst wenn es nur meine Einbildung ist: Ich bin deutlich entspannter und gelassener. Jetzt muss ich aber zum Ende kommen, denn ehrlich gesagt: Ich bin heute ein wenig in Eile.