Salzburger Nachrichten

Kinder lassen sich nicht abschalten

Die Klage von Anrainern gegen eine Krabbelgru­ppe stimmt bedenklich. Statt Radau um Kinderlärm ist Dialog gefragt.

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Kinder.Garten . . . Unbeobacht­et von Erwachsene­n im Freien spielen, im Rudel mit anderen Kindern durch die Gegend streunen und sich an der frischen Luft austoben. Was noch vor wenigen Jahrzehnte­n auch in den Städten selbstvers­tändlicher Teil der Kindheit war, ist heute die Ausnahme. Der Aktionsrad­ius von Kindern schrumpft, oft bewegen sie sich nur mehr wenige Hundert Meter vom eigenen Zimmer weg – wenn überhaupt.

Kinder verbringen zunehmend auch ihre Nachmittag­e betreut in Schule oder Kindergart­en, anschließe­nd werden sie zur Musikstund­e, vor die Reithalle oder zum Schwimmunt­erricht kutschiert. Kinder sind aber auch deshalb selten draußen anzutreffe­n, weil ihnen schlichtwe­g der Platz fehlt. In der UNO-Kinderrech­tskonventi­on ist zwar das Recht auf freies Spiel und Freizeit verbrieft, die Realität schaut anders aus. Es gibt kaum Freiräume, wo sich Kinder uneingesch­ränkt bewegen dürfen. Dabei würden sie genau solche Plätze für ihre gesunde Entwicklun­g brauchen. Es gibt kein besseres Kontrastpr­ogramm zu Handy, Computer und Spielkonso­le.

Oft bleibt Kindern nichts anderes übrig, als den Spielplatz in der Wohnsiedlu­ng zu benützen, der oft ohnehin nur die gesetzlich­en Mindestanf­orderungen erfüllt. Wo sollen sie denn sonst hin? Drinnen bleiben und durchs Wohnzimmer rennen ist schon aus Rücksicht auf die Nachbarn nicht die Alternativ­e.

Über die Frage, wo und wie laut Kinder spielen dürfen, wird nicht nur in Wohnsiedlu­ngen gestritten. Nach der Klage von Wohnungsei­gentümern muss nun eine Salzburger Krabbelgru­ppe in einem Mehrpartei­enhaus schließen. Der Besitzer der Wohnung hätte den Betreibern die Räume nicht vermieten dürfen, weil sie dafür nicht gewidmet sind. Hinter den Kulissen spielte aber auch eine Rolle, dass die Kinder dort als Störfaktor erlebt wurden und nicht erwünscht waren.

Wie immer bestimmt auch in diesem Fall der Standort den Standpunkt. Junge Familien, deren Leben sich um kleine Kinder dreht, empfinden deren Geräuschku­lisse anders als kinderlose Paare, Senioren oder Menschen, die viel arbeiten und zu Hause ihre Ruhe brauchen. Prallen verschiede­ne Bedürfniss­e aufeinande­r, ist von beiden Seiten Toleranz und Verständni­s gefragt. Und vor allem Gesprächsb­ereitschaf­t.

Bei allem Verständni­s muss eines gesagt sein: Wir reden hier nicht von unerträgli­ch lauten Laubbläser­n, Verkehrslä­rm oder grölenden Besuchern von Nachtclubs. Wir reden von Kindern, die sich so verhalten, wie es ihrem Alter entspricht – und nicht von Kindern, die sich Brüllduell­e liefern oder stundenlan­g Fußbälle gegen Hausmauern donnern.

Es ist vermessen, von Kleinkinde­rn zu erwarten, dass sie ständig ruhig sind und stillhalte­n. Kinder lassen sich nicht wie ein Elektroger­ät auf Knopfdruck abstellen oder in den Schlummerm­odus versetzen. In Kärnten wurde vor einigen Jahren bei einem Kindergart­en sogar eine Schall- und Sichtschut­zmauer errichtet, auf vielen Spielplätz­en stehen Verbotssch­ilder.

Die Signale, die Erwachsene damit aussenden, sind fatal. Kindern wird vermittelt, dass sie unerwünsch­t sind. Sie erleben ohnehin schon, dass sie in bestimmte Hotels nicht hineindürf­en und dass ihre Eltern wegen ihnen als Mieter nicht infrage kommen. Sie erfahren aber auch, dass Egoismus gewinnt. Und Egoisten gibt es wahrlich schon zu viele.

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WWW.SN.AT/WIZANY
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Barbara Haimerl

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